In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
entspannte sich ihr Gesicht, als der Groschen fiel. »Es gibt einen Zusammenhang, ja? Mit dem Whyte-Fall?«
»O’Hare hat mich angerufen. Und ich habe Ihnen etwas aufgetragen. Ich werde mich nicht wiederholen. Los mit Ihnen.«
Es ist spät. Es ist sehr kalt. Und die Kleine ist immer noch verschwunden. Das sieht ihr gar nicht ähnlich, so lange fort zu sein – normalerweise findet sie jemand und bringt sie zurück, aber bei diesem Wetter? Wer weiß, was ihr zugestoßen ist?
Doch wie heißt es so schön, das Pech des einen ist das Glück des anderen.
Es ist zweimal an einem Tag passiert. Ich habe sie gesehen, meine andere Kleine. Prudenza, den kleinen Fisch.
Nach so vielen Jahren zweimal an einem Tag.
Aber diesmal war es Zufall. Ich habe mir an der Ampel ein wenig mehr Zeit gelassen und aufgepasst, damit ich keine Beule in den Lieferwagen fahre, als ich sie gesehen habe, Costello und Anderson, wie sie die Treppe der Bullenbude herunterkommen, als sei ihnen der Steuereintreiber auf den Fersen.
Sie sind kurz unter der Lampe stehen geblieben, ehe sie in den düsteren Nebel gingen. Anderson hat seine Handschuhe angezogen und mit den Fingern gezappelt. Sogar von der Straße aus konnte ich sehen, dass er zitterte, als bräuchte er noch eine zusätzliche Lage Kleidung, damit ihm warm wird. Er ging auf mich zu, sie trottete neben ihm her, den Rucksack auf der Schulter, eine Hand hinter sich, um das Gewicht auf dem Rücken zu stützen.
Es ging ganz geschäftsmäßig zu, sie haben nicht geplaudert wie vorher. Anderson ging vor, sie folgte, und beide wirkten klobig in ihren Winterjacken. Das Thermometer des Lieferwagens kletterte langsam auf null, und ich war gut zehn Minuten herumgefahren, Gott allein weiß also, wie kalt es da draußen ist.
Sie kamen im trüben Licht der Straßenlaternen näher. Ihr Gesicht wirkte blass. Sie war bestimmt müde, dennoch wirkten ihre Schritte kraftvoll so wie bei einem Jack Russell, der eine Ratte wittert. Sie haben die Straße überquert und wurden vom Nebel verschluckt. Ehe ich sie verloren habe, fiel mir auf, wie er den Arm ausstreckte. Er hat sie nicht berührt, aber die Hand hinter ihr bewegt, als wolle er sie über die Straße scheuchen. Wie ein Bruder.
Die Ampel hat umgeschaltet, also habe ich die Kupplung kommen lassen und Gas gegeben und bin näher an die beiden herangefahren. Als sie den Bürgersteig erreichten, hatte er den Arm heruntergenommen. Sie hielt ein Stück Papier in der Hand, ihr Rucksack rutschte von der Schulter in den Ellbogen. Das kurze Gespräch war beendet, und das Licht seines Honda Jazz blinkte einmal, als er die Türen entriegelte. Er hatte sich hinters Lenkrad gesetzt, sie auf den Beifahrersitz.
Ich habe gesehen, wie er ihr den Sicherheitsgurt gereicht hat, ehe ich an ihnen vorbei war. Zwischen uns lag nur ungefähr ein Meter.
Ich habe nicht in den Rückspiegel gesehen.
Im Augenblick ist sie in sicheren Händen.
Meine kleine Prudenza.
»Warum richten wir uns nicht nach dem blöden Navi?«, fauchte Anderson.
»Nach dem blöden Navi wären wir noch immer auf der M8!«
»Stattdessen holpern wir in dieser Brühe am Ende der Welt über diese einspurige Landstraße.« Anderson beugte sich vor und versuchte, in der Suppe vor dem Wagen etwas zu erkennen. »Warum nehmen Sie nicht die Karte, Costello? Dann hätten Sie vielleicht eine Ahnung, wo wir sein sollten.«
»Oh, ich weiß, wo wir sein sollten«, sagte sie und drehte die Karte um neunzig Grad. »Ich habe bloß keine Ahnung, wo wir tatsächlich sind. Wenn man die Straße sehen könnte, wäre das sicherlich eine Hilfe. Oder vielleicht sogar ein Schild.«
Anderson wollte eine schlecht gelaunte Bemerkung über Frauen und Straßenkarten machen, musste jedoch unwillkürlich lächeln. Es war gut, wieder mit Costello zusammenzuarbeiten und sich mit ihr zu streiten. Sie wusste immer, was er dachte, und ignorierte, was er sagte. Jetzt wünschte er sich nur, dass sie einen etwas besseren Orientierungssinn besäße, und das sagte er auch.
»Passen Sie auf, sogar Ally der Albatros ist ein bisschen vom Weg abgekommen – von den Falklandinseln nach Brasilien über Barochan Moss, ja? So ein Fehler kann jedem passieren.«
»Es war nicht sein Fehler. Der Wind wehte in die falsche Richtung. Sie fliegen nicht Tausende Meilen aus eigener Kraft, sondern segeln, und wenn der … Mist!« Er fluchte, weil der Honda auf den unsichtbaren Grasrand gefahren war, und bremste abrupt. »Und diese Straße ist am falschen
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