In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
einfacherer Tod als Erfrieren, aber immerhin ging es schneller.
Littlewood schenkte ihm ein Lächeln, was selten geschah, während er dem DI eine Akte reichte, die spät in der Nacht per Kurier gebracht worden war. Sie verharrten kurz, als beide Männer die braune Akte jeweils mit einer Hand hielten.
»Das habe ich zu dieser unchristlichen Zeit nur durch meine alten Kontakte heranschaffen können. Manchmal sind wir alten Knacker doch noch zu etwas nütze«, meinte Littlewood.
»Sie haben schon reingeschaut, nicht?«, fragte Anderson.
»Ich habe am Rande damals auch bei den Ermittlungen zu Emily Corbetts Vergewaltigung mitgearbeitet«, antwortete Littlewood. »Ich möchte gern mit von der Partie sein.«
»Sie wissen, wenn ich könnte, würde ich.«
»Dann machen Sie einfach! Quinn kann das nicht alles allein durchziehen. Wenn sie das schaffen will, muss sie jeden Mann in diesem Revier vierundzwanzig Stunden an der Sache arbeiten lassen. Wenn sie das nicht tut, geht der Fall woandershin. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Sorgen Sie nur dafür, dass sie es auch weiß. Costello war zwei Jahre lang nicht im Dienst, und dieses neue Mädel ist so kopflastig, dass der Tresen im Three Judges unter ihm zusammenbricht, wenn es sich drauflehnt. Ich war jahrelang bei der Sitte, ich weiß mehr über Sexualverbrechen als der Rest dieser Truppe zusammen. Und ich kenne diesen Fall.« Littlewood hielt die Akte noch ein wenig fester. »Das wissen Sie auch.«
»Ich habe keine Sekunde daran gezweifelt. Ihre Erfahrung ist wertvoll, und Quinn weiß das. Okay, um sieben Uhr geht es los. Kommen Sie einfach vorbei und sehen Sie mal, ob Sie dann jemand rauswirft.«
Littlewood ließ die Akte los. »Gleiches Recht für alle«, murmelte er.
Während Anderson im Ermittlungsraum wartete, bis sein Computer hochgefahren war, überfiel ihn die Müdigkeit wie eine Welle. Die Energie, die er am frühen Morgen gespürt hatte, war schnell verbraucht, jetzt stützte er den Kopf in die Hände und dachte, was für ein Scheißleben er doch führte. Irgendetwas beschäftigte ihn unterbewusst, irgendetwas, um das er sich kümmern musste, und es war nicht Itsy. Brenda hatte den Kontoauszug nicht ohne Grund für ihn liegen lassen. Ein einziger Blick hatte genügt. Brenda hatte ihre Arbeit aufgegeben, um bei Peter zu Hause sein zu können, und die Miete für das Apartment fraß alarmierend große Löcher in Andersons Gehalt.
Sie waren pleite.
Plötzlich begriff er Littlewoods Standpunkt: Es war viel leichter, hier zu sein und sich mit den Albträumen anderer Leute zu beschäftigen als mit den eigenen.
Der Computermonitor erwachte zum Leben. Dankbar für die Ablenkung von seinen privaten Sorgen, las er die E-Mails und Anhänge, die angekommen waren, und machte sich Notizen für die Besprechung. Er benutzte Quinns Zugang, um sich in die Kriminaldatenbank einzuloggen. Das erlaubte ihm viel weitreichendere Recherchen als sein eigener. Es war ein Zeichen des Vertrauens, wenn man ihm erlaubte, sich hoch vertrauliches und sensibles Material anzuschauen, das möglicherweise gar keinen Zusammenhang mit der aktuellen Ermittlung hatte. Er gab den Code für Vergewaltigung ein. Den Code für Waffen. Dann fiel ihm etwas Interessantes auf, ein bekannter Name in der Logdatei. Es war schon jemand vor ihm hier gewesen. Er gab Augenbinde als Suchwort ein.
Und klickte auf Suchen.
Fünf Minuten, dann hatte er alles, was er brauchte.
Detective Sergeant David Lambie hatte bereits an dieser Stelle gesucht und seinen privilegierten Zugang aus der Zeit der ursprünglichen Ermittlung verwendet. Überall, wohin Anderson ging, war der Sergeant mit der leisen Stimme aus der K-Division bereits gewesen, manchmal vor Jahren. War die K-Division deshalb so interessiert? Suchten sie nach Anhaltspunkten, dass Emilys Vergewaltiger wieder aktiv geworden war? Aber warum, sie hatten doch gewusst, dass es Stephen Whyte war? Hatten sie darauf gewartet, dass er zurückkam und wieder zuschlug? Nein, danach sah es nicht aus, erkannte Anderson. Lambie war der einzige Name in der Logdatei. Der Mann arbeitete auf eigene Faust an dem Fall. Er nahm sich vor, darüber mit Quinn zu sprechen.
Nun schlitzte er den Umschlag in der Akte auf, die Littlewood ihm gegeben hatte, und eine alte Schwarzweißfotografie rutschte vom Kartonboden heraus. Sie war zum Schutz in eine Klarsichthülle gesteckt worden. Allein das war ungewöhnlich. Er nippte an seinem kalten Kaffee und wartete, bis das Koffein durch
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