In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
bedeutet, er existiert nicht. Sie wären erstaunt, wie gut sich manche Leute heutzutage in Forensik auskennen.«
O’Hare wiederholte genau das, was Lambie über die anderen Fälle gesagt hatte. »Er wusste also, was er tut, Itsys Angreifer?«, fragte sie.
»Natürlich. Also fangen Sie mal an und überprüfen Sie ein paar Theorien.«
Costello schrieb in ihr Notizbuch.
»Und wo Sie Ihr Notizbuch schon aufgeklappt haben, kann ich vielleicht kurz privat mit Ihnen reden?« O’Hare warf sich das Jackett über die Schulter.
Aber Browne machte keine Anstalten, den Raum zu verlassen.
»Browne, könnten Sie bitte das Revier anrufen?«, fragte Costello. »Fragen Sie, ob wir dort gebraucht werden oder ob wir etwas essen gehen können. Ich bin dann oben mit dem Prof bei Itsy.«
Im langen blauen Korridor, der zur Intensivstation führte, beschäftigte sich die Putzkraft jetzt mit den Glasscheiben. Der Pathologe sprach mit einer Krankenschwester, die ihm sagte, er könne ruhig hineingehen, doch nicht, ehe sie die kleine Blondine mit den Stachelhaaren neben ihm ausgiebig beäugt hatte. Im Korridor sahen sie durch ein Fenster in einen hellen weißen Raum, in dem Itsy inmitten eines Wirrwarrs von Kabeln und Schläuchen lag, das Gesicht halb mit Verband bedeckt. Die Sinuskurve auf einem Monitor beschrieb ihre Atmung. Drähte ragten aus ihren Wangen, und zwei winzige Titanflügelmuttern durchdrangen die Haut, wo der Schädel rasiert war und sich Skalpellnarben über den Kopf zogen wie Autobahnen auf einer Karte.
»Mein Gott.«
»Anderson wollte wissen, ob Itsy auch eine Wunde im Gesicht hat. Nicht im Mund, sondern auf der Haut. Ich dachte, es sei eine vorhanden.«
»Sehen Sie selbst – eine üble Schnittwunde, sehr tief, an der linken Seite.«
Sie waren nun sehr nah und konnten den schwachen sauberen Geruch von Seife und medizinischem Alkohol wahrnehmen. »Könnte sie sich die Verletzungen durch einen Sturz zugezogen haben?«
»Glauben Sie , dass sie dort draußen gefallen ist? Dass diese Verletzungen nur ein schrecklicher Zufall sind?«
»Wäre es möglich?«
»Die Mundverletzung, ja. Das habe ich schon bei Kindern gesehen. Sie haben einen Stift im Mund oder laufen mit einem Stock, sie fallen, machen den Mund auf. Das passiert schnell. Aber nicht bei Erwachsenen. Und es erklärt auch nicht die Contre-Coup-Verletzung oder die zwei Schläge an den Kopf. Das herauszufinden ist jedoch Ihre Sache.« O’Hare sprach leise, als könne er Itsy wecken. Er dachte eine Weile nach. »Was haben Sie noch von ihrem Mund in Erinnerung, als Sie ihren Kopf im Krankenwagen gehalten haben?«
»Er sah aus, als habe er auf der linken Seite keine Ränder, keine Lippen. Keine … Form.« Sie seufzte. »Ich sehe mir die Fotos an, wenn sie kommen.«
»Ich werde mal fragen, ob sie vor der Operation welche gemacht haben. Manchmal machen sie Aufnahmen, falls sie etwas wiederherstellen müssen. Zumindest wird ihre Haut sauber sein, also können Sie alles besser sehen.«
»Danke, Prof. Ich weiß, das geht über Ihre Pflichten hinaus, bei einem Opfer, das nicht …«
»Tot ist?« O’Hare deutete mit dem Kopf auf die beiden Gestalten, die auf Stühlen neben Itsys Bett saßen. »Iain war ein guter Freund.«
Sie sah ihn an, und ihr entging die Vergangenheitsform nicht. O’Hare war müde, diese Sache setzte ihm arg zu. »Kennen Sie Marita so gut wie ihn?«
»Nein. Iain und ich waren auf der gleichen Schule. Auf der Chamberlain.«
Costello fragte sich, warum O’Hare Marita und Iain nicht auf sich aufmerksam machte. Sie fühlte sich, als würde sie die beiden in ihrem Kummer begaffen.
»Eigentlich wollte ich mit Ihnen über Iain reden«, fuhr O’Hare fort.
Costello trat vom Fenster zurück. »Inoffiziell, vermutlich?«
»Ihre weibliche Intuition wird Sie sowieso dorthin führen. Sie wissen, wir haben im Krankenwagen Proben genommen und auch im OP . Na ja, es gab in der Vagina und auf den Schenkeln Hinweise darauf, dass sie vor kurzem Sex gehabt hat. Wir haben ein Schamhaar, das nicht ihr gehört. Außerdem gab es Flecken in der Unterwäsche – wir warten noch auf die Ergebnisse. Aber kein Anzeichen von Gewalt und absolut keinen Hinweis auf eine Vergewaltigung. Alles deutet auf einvernehmlichen Sex hin, da sie danach herumgelaufen ist. Also habe ich Iain geraten … ähm, na ja, dazu ein andermal. Vielleicht finden Sie da noch etwas heraus«, fügte er leise hinzu und deutete auf Iain.
Costello fuhr zusammen, als ihr jemand auf die Schulter
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