In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
nur die eine ist eine harte Nuss, und die andere hat einen weichen Kern.«
»Würden Sie sagen, Itsy ist eine attraktive Frau?«
»Von den Fotos her: ja. Worauf wollen Sie hinaus, Costello?«
»Ich habe mich gefragt, wie ein Mann gegenüber einer Frau fühlen würde, die über den Verstand eines Kindes verfügt.«
»Jemand wie Itsy würde Ihnen bedingungslose Liebe schenken wie ein kleiner Hund«, meinte Harry nachdenklich. »Manche Leute brauchen Schutz. Ich würde jeden umbringen, der ihr etwas zuleide tut.«
Costello war froh, dass sie Castiglia nicht ansah und er den Ausdruck auf ihrem Gesicht nicht mitbekam. Irgendwie hatte er einen wunden Punkt getroffen.
Sie wollte das Thema gerade in Richtung Albatros wechseln, als er unvermittelt sagte: »Denken Sie nur an die großen Fotos von Audrey Hepburn, Marilyn Monroe, Edith Piaf. Schwarzweiß – und alle zeigen die Frau hinter der Schönheit. Das ist der Traum jedes Fotografen. Aber hinter Marita Kennedys Schönheit steckt keine Frau, denn Marita ist, was Sie sehen. Das erschwert mir die Arbeit erheblich. Ach übrigens, sind Sie bereit für heute Abend? Wir werden versuchen, einen schönen Schuss von Ally zu machen, während wir so tun, als wollten wir die raue Wirklichkeit eines Tatortes dokumentieren, nachdem die Kriminalisten abgezogen sind. Alles öde und verwüstet, aber einsam.«
»Ja. Ich hatte gehofft, es vorher noch nach Hause zu schaffen, um mir wärmere Sachen anzuziehen, doch ich habe keinen Wagen, und außerdem darf ich allein nicht in den Nebel – Befehl von Quinn. Jedenfalls habe ich den Auftrag hierzubleiben, bis der TV -Aufruf fertig ist.«
»Na, da hat man wohl uns beiden die Pläne durchkreuzt.« Er breitete die Arme aus wie ein Franzose. »Wir machen einfach weiter, nur mit ein bisschen Verspätung. Der Tatort und Ally werden sobald wohl nicht verschwinden, denke ich. Wie wäre es so gegen neun Uhr? Sie wohnen doch an der Schnellstraße, oder?« Er sah auf die Uhr. »Wenn Marita und Iain zurückkommen, schicken Sie mir eine SMS , dann fahre ich Sie nach Hause und lasse Ihnen eine halbe Stunde Zeit. Derweil fahre ich zum Clyde und sehe mir die Atmosphäre dort an. Danach hole ich Sie ab.«
»Das wäre großartig«, sagte Costello und versuchte, die Aufregung zu verbergen, die sich in ihrem Bauch bemerkbar machte.
Sie hörte, wie die Kamera einige Male auslöste, und dann war er verschwunden. Er ging die Treppe hinunter, blieb kurz auf dem nächsten Absatz stehen, und erneut hörte sie die Kamera. Er fotografierte sie durch die Geländerstäbe. Er hatte ein gutes Auge für Bilder, das entging ihr nicht. Vielleicht hatte er ja auch ein gutes Herz.
Er hatte sich nicht selbst zu ihr eingeladen, also verfügte er auch über eine Portion Feingefühl – Quinn hätte es mit dem Begriff »integer« umschrieben.
»He!«, rief sie ihm hinterher. »Woher wissen Sie, wo ich wohne?«
Aber er war schon verschwunden. Vielleicht hatte er im Revier gefragt. Ob er noch weitere Erkundigungen über sie eingeholt hatte?
Browne wurde von festen Händen an den Schultern gepackt und vom Glas fortgezogen. Dann sank sie in die Arme von DS John Littlewood. Bobby McGurk zitterte heftig und stieß unverständliche Laute hervor. Ein kleiner grauhaariger Mann stand vor ihm, hielt dem jungen Mann die Hand vor die Brust und beruhigte ihn. Es war der kleine Tony. Er starrte Gillian Browne böse an.
»Um Gottes willen, er hat sie zu Tode erschreckt!«, rief Littlewood wütend.
»Er hatte keine Ahnung, dass hier jemand war, woher auch?« Der kleine Tony war genauso wütend wie Littlewood. »Kommen Sie, lassen Sie mich mit ihr reden. Wie heißt sie?«
» DC Browne«, erwiderte Littlewood aggressiv.
Der kleine Tony sprach sie höflich an. »Tut mir leid, DC Browne, wenn Sie sich erschreckt haben, aber Bobby wusste nicht, dass Sie hier sind«, sagte er und sah sie aus den faltenumrahmten grauen Augen eindringlich an. »Woher sollte er auch? Es ist so, wenn Bobby jemanden sieht, der sich aufregt, geht er zu demjenigen und versucht ihn zu umarmen. Er wollte Ihnen keine Angst machen.«
Browne brach in Tränen aus.
»Ich wette, er hat sich hinter den Sessel geschlichen, ohne ein Geräusch zu machen«, fuhr Tony ruhig und freundlich fort. »Er weiß, ich mache dort nachmittags gern ein Nickerchen, und ich habe ihn schon oft genug angeschnauzt, wenn er die Tür zugeknallt und mich geweckt hat. Also schleicht er sich lieber hinter mich. Manchmal hat er eine Tasse Tee für
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