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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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der gottverdammte, zudringliche, ihn verfolgende Scheiß-Deputy hätte es mitgenommen -und mit ihm seine Zukunft. Dann fanden seine Hände die Schachtel, und er riß den Deckel hoch. Die blecherne Rennbahn war noch da. Und der Umschlag steckte nach wie vor darunter. Er bog ihn vor und zurück, hörte, wie die Geldscheine darin knisterten, dann steckte er ihn wieder in die Schachtel.
    Er eilte ans Fenster, hielt Ausschau nach Myrtle. Sie durfte die rosa Zettel nicht sehen. Er mußte sie alle verschwinden lassen, bevor Myrtle kam. Wie viele waren es? Hundert? Er schaute sich in seinem Arbeitszimmer um und sah und sah sie überall. Tausend? Ja, vielleicht. Vielleicht tausend. Vielleicht sogar zweitausend. Alles war möglich.
    Er rannte durchs Wohnzimmer (sein Schädel streifte den an der Lampe hängenden Zettel und ließ ihn schaukeln) und drehte den Verriegelungsknopf an der Haustür. Dann fiel ihm ein, daß sie ja einen Schlüssel hatte. Er schob den Riegel vor und hakte sicherheitshalber auch die Kette ein. Wenn sie kam, bevor er mit dem Aufräumen fertig war, würde sie vor der Tür warten müssen. Er dachte nicht daran, sie einzulassen, bevor nicht auch der letzte dieser gottverdammten Zettel im Küchenherd verbrannt war.
    Er riß den von der Lampe herabhängenden Zettel ab. Das Klebeband haftete an seiner Wange, und er wischte es mit einem letzten Wutschrei beiseite. Auf diesem Zettel sprang ihm aus der für WEITERE VERGEHEN vorgesehenen Zeile ein einziges Wort entgegen:
    VERUNTREUUNG
    Er rannte zur Leselampe neben seinem Sessel. Riß den Zettel ab, der am Lampenschirm klebte.
    WEITERE VERGEHEN: UNTERSCHLAGUNG STÄDTISCHER GELDER
    Am Fernseher:
    WETTEN AUF PFERDE
    Auf dem Glas seines über dem Kamin hängenden Lions Club Good Citizenship Award:
    UNZUCHT MIT IHRER MUTTER
    An der Küchentür:
    ZWANGHAFTES GELDVERSCHLEUDERN AUF DER LEWISTON-RENNBAHN
    An der Tür zur Garage:
    PSYCHOTISCHE SCHWACHSINNS-PARANOIA
    Er sammelte sie ein, so schnell er konnte, mit weit aufgerissenen und aus seinem fleischigen Gesicht vorquellenden Augen und zerwühltem Haar. Bald hustete und keuchte er, und eine häßliche, rötlichpurpurne Farbe breitete sich über seine Wangen. Er sah aus wie ein fettes Kind mit dem Gesicht eines Erwachsenen auf einer absurden, aber ungeheuer wichtigen Schatzsuche.
    Da klebte noch einer an der Scheibe der Porzellanvitrine:
    DIEBSTAHL AUS DEM RENTENFONDS DER STADT UM DAS GELD AUF PFERDE ZU SETZEN
    Eine Faustvoll Zettel mit der Rechten umkrampfend, aus der die Enden der Klebestreifen herausflatterten, eilte Keeton in sein Arbeitszimmer und begann, weitere Zettel abzureißen. Sie nahmen alle auf ein einziges Thema Bezug, und das mit gräßlicher Genauigkeit:
    VERUNTREUUNG
DIEBSTAHL
ENTWENDUNG
BETRUG
UNTERSCHLAGUNG
SCHLECHTE VERWALTUNG
VERUNTREUUNG
    Vor allem dieses eine Wort, unübersehbar, schreiend, anklagend:
    WEITERE VERGEHEN: VERUNTREUUNG
    Er glaubte, draußen etwas zu hören, und rannte wieder ans Fenster. Vielleicht war es Myrtle. Vielleicht war es Norris Ridgewick, gekommen, um über ihn zu lachen. Wenn er es war, dann würde Keeton seinen Revolver holen und schießen. Aber nicht in den Kopf. Nein. In den Kopf, das wäre zu gut, zu schnell. Keeton würde ihm ein Loch in den Bauch schießen und ihn dann auf dem Rasen liegenlassen, damit er sich zu Tode schrie.
    Aber es war nur der Wagen der Garsons, der den View in Richtung Stadt hinunterfuhr. Scott Garson war der bedeutendste Bankier der Stadt. Keeton und seine Frau trafen sich manchmal mit den Garsons zum Essen, sie waren nette Leute, und Garson selbst war ein politisch wichtiger Mann. Was würde er denken, wenn er diese Zettel sah? Was würde er denken, wenn er dieses Wort sah, VERUNTREUUNG, das all diese Zettel herausschrien, schrien wie eine Frau, die mitten in der Nacht vergewaltigt wird?
    Er rannte wieder ins Wohnzimmer, keuchend. Hatte er irgendwelche von ihnen übersehen? Er glaubte es nicht. Er hatte sie alle, jedenfalls hier und...
    Nein? Da war noch einer! Am Pfosten des Treppengeländers! Was, wenn er den übersehen hätte? Großer Gott!
    Er rannte hin, riß ihn ab.
    MARKE: SCHEISSMOBIL
MODELL: ALT UND SCHÄBIG
KENNZEICHEN: OLDFUCK 1
WEITERE VERGEHEN: FINANZIELLE HUREREI
    Mehr? Waren da noch mehr? Keeton jagte wie ein Besessener durch die Räume im Erdgeschoß. Sein Hemd war aus der Hose herausgerutscht, und sein behaarter Bauch hüpfte heftig über seiner Gürtelschnalle. Er sah keine mehr – jedenfalls nicht hier unten.
    Nach

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