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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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unangenehm.
    »Es wird azka genannt, vielleicht auch azakah«, sagte Mr. Gaunt. »Auf jeden Fall ist es ein Amulett, das gegen Schmerzen helfen soll.«
    Polly bemühte sich um ein Lächeln. Sie wollte höflich sein, aber war sie wegen so etwas hergekommen? Das Ding hatte nicht einmal irgendeinen ästhetischen Wert. Es war schlicht und einfach häßlich.
    »Ich glaube wirklich nicht....«
    »Ich auch nicht«, sagte er, »aber verzweifelte Situationen erfordern oft verzweifelte Maßnahmen. Ich versichere Ihnen, es ist absolut echt – zumindest in dem Sinne, daß es nicht in Taiwan hergestellt wurde. Es ist ein authentisches ägyptisches Artefakt – kein antikes Fundstück, aber mit ziemlicher Sicherheit ein Artefakt -, und zwar aus der späten Ptolemäerzeit. Dazu gehört ein Herkunftszertifikat, in dem es als ein Instrument von benka-lits oder weißer Magie bezeichnet wird. Ich möchte, daß Sie es nehmen und tragen. Das hört sich vermutlich töricht an, und vielleicht ist es das auch. Aber im Himmel und auf Erden gibt es seltsamere Dinge, als manche Leute sich träumen lassen, selbst in den ungestümeren Momenten ihrer Phantasie.«
    »Glauben Sie wirklich?«
    »Ja. Ich habe im Laufe der Zeit Dinge erlebt, die ein heilendes Medaillon oder Amulett als etwas ganz Gewöhnliches erscheinen lassen.« In seinen nußbraunen Augen flakkerte einen Moment lang ein kaum wahrnehmbares Schimmern. »Viele solche Dinge. Die Ecken und Winkel der Welt sind voll von unglaublichem Gerümpel, Polly. Aber lassen wir das; hier geht es um Sie. Schon neulich, als Ihre Schmerzen, wie ich annehme, bei weitem nicht so schlimm waren wie heute, konnte ich mir vorstellen, was Sie auszustehen haben. Ich dachte, dieses kleine Ding könnte einen Versuch wert sein. Schließlich haben Sie nichts zu verlieren. Alles, was Sie bisher versucht haben, hat nichts gebracht, nicht wahr?«
    »Ich weiß den Gedanken zu würdigen, Mr. Gaunt, wirklich, aber...«
    »Leland, bitte.«
    »Also gut. Ich weiß den Gedanken zu würdigen, Leland, aber ich fürchte, ich bin nicht abergläubisch.«
    Sie schaute auf und sah, daß seine nußbraunen Augen auf sie gerichtet waren.
    »Es spielt keine Rolle, ob Sie es sind oder nicht, Polly – denn dies ist es.« Er bewegte die Finger. Das azka hüpfte am Ende seiner Kette.
    Sie machte abermals den Mund auf, aber diesmal kamen keine Worte heraus. Sie erinnerte sich an einen Tag im letzten Frühjahr. Nettie hatte, als sie nach Hause ging, ihr Exemplar von Inside View vergessen. Als sie es müßig durchblätterte – hier Geschichten über Werwolf-Kinder in Cleveland, dort eine geologische Formation auf dem Mond, die aussah wie das Gesicht von John. F.Kennedy -, war Polly auf eine Anzeige gestoßen für etwas, das die »Gebetsscheibe der Vorväter« genannt wurde. Es sollte angeblich Kopfschmerzen, Leibschmerzen und Arthritis kurieren.
    Die Anzeige wurde beherrscht von einer Schwarz-Weiß-Zeichnung. Sie stellte einen Mann mit einem langen Bart und einem Zaubererhut dar (Nostradamus oder Hermes Trismegistos, nahm Polly an), der etwas, das wie eine Kinder-Windmühle aussah, über den Körper eines Mannes in einem Rollstuhl hielt. Von dem Windmühlen-Ding aus ergoß sich ein Strahlenkegel über den Invaliden, und obwohl es in der Anzeige nicht rundheraus behauptet wurde, schien sie doch besagen zu wollen, daß der Mann am nächsten oder übernächsten Tag an der Copa das Tanzbein schwingen würde. Das war natürlich lächerlich, abergläubischer Papp für Leute, deren Verstand unter dem stetigen Anprall von Schmerzen ins Wanken geraten oder sogar zerbrochen war, aber dennoch...
    Sie hatte lange Zeit dagesessen und die Anzeige betrachtet, und hätte fast – so lächerlich es war – unter der am unteren Rand der Anzeige angegebenen Telefonnummer angerufen. Früher oder später...
    »Früher oder später sollte eine Person, die unter Schmerzen leidet, auch die fragwürdigeren Pfade erkunden, wenn die Möglichkeit besteht, daß sie zur Erleichterung führen«, sagte Mr. Gaunt. »Ist es nicht so?«
    »Ich – ich weiß nicht...«
    »Marktransplantationen – Kältetherapie -Heizhandschuhe – sogar die Strahlenbehandlung – das alles hat bei Ihnen nichts bewirkt, nicht wahr?«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Ein guter Geschäftsmann muß die Bedürfnisse seiner Kunden kennen«, sagte Mr. Gaunt mit seiner sanften, hypnotischen Stimme. Er bewegte sich auf sie zu; die silberne Kette hatte er zu einem weiten Ring ausgebreitet, an dem das

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