In einer kleinen Stad
den Knopf, der die Leitung offenhielt, dann fand sie ihre Zigarette wieder. Sie zündete sie an, inhalierte tief und betrachtete beunruhigt das kleine, flackernde Licht.
16
»Alan?« rief Henry Payton. »Alan, hören Sie mich?« Seine Stimme hatte den flachen, dumpfen Klang, den Stimmen immer haben, wenn ein Telefongespräch über Funk durchgestellt wird. Er hörte sich an wie ein Radiosprecher, der aus der Inneren einer großen, leeren Crackerdose sendet.
»Ich höre Sie, Henry.«
»Vor einer halben Stunde kam ein Anruf vom FBI«, sagte Henry aus dem Inneren seiner Crackerdose. »Mit diesen Fingerabdrücken haben wir unverschämtes Glück gehabt.«
Alans Herzschlag schaltete in einen schnelleren Gang. »Mit denen auf Netties Türknauf? Den verwischten?«
»So ist es. Wir haben eine provisorische Übereinstimmung festgestellt mit einem Mann dort bei Ihnen am Ort. Eine Verurteilung – Bagatelldiebstahl im Jahre 1977. Außerdem haben wir die Abdrücke aus seiner Militärakte.«
»Spannen Sie mich nicht auf die Folter – wer ist es?«
»Der Name des Betreffenden ist Hugh Albert Priest.«
»Hugh Priest!« rief Alan. Er hätte nicht überraschter sein können, wenn Payton den Namen von J. Danforth Quayle genannt hätte. »Weshalb sollte Hugh Priest Netties Hund umbringen? Oder Wilma Jerzycks Fenster einwerfen, was das betrifft?«
»Da ich den Herrn nicht kenne, kann ich die Frage nicht beantworten«, erwiderte Henry. »Warum greifen Sie ihn nicht und fragen ihn selbst? Warum tun Sie es nicht sofort, bevor er nervös wird und beschließt, Verwandte in Dry Hump, South Dakota, zu besuchen?«
»Gute Idee«, sagte Alan. »Ich melde mich später wieder. Danke, Henry.«
»Halten Sie mich auf dem laufenden – schließlich ist das letzten Endes mein Fall.«
»Ja. Ich melde mich.«
Es gab ein scharfes, metallisches Geräusch – bink! -, als die Verbindung abbrach, und dann übertrug Alans Funkgerät das Summen einer offenen Telefonleitung. Alan fragte sich kurz, was Nynex und AT&T von den Spielchen halten würden, die sie da spielten, und bückte sich, um das Mikrofon wieder einzuhängen. Als er es tat, wurde das Summen der Telefonleitung von Sheila Brighams Stimme unterbrochen – einer für sie ungewöhnlich zögernden Stimme.
»Sheriff, ich habe Polly Chalmers in der Leitung. Sie hat darum gebeten, daß ich sie durchstelle, sobald Sie frei sind. Ten-four?«
Alan blinzelte. »Polly?« Er hatte plötzlich Angst, jene Art von Angst, die man hat, wenn das Telefon um drei Uhr nachts läutet. Polly hatte noch nie eine solche Bitte geäußert, und wenn man ihn gefragt hätte, hätte Alan geantwortet, daß sie das niemals tun würde – es lief ihrer Vorstellung von gutem Benehmen zuwider, und für Polly war gutes Benehmen sehr wichtig. »Was will sie, Sheila – hat sie das gesagt? Ten-four.«
»Nein, Sheriff. Ten-four.«
Nein, natürlich hatte sie das nicht getan. Auch das hatte er gewußt. Polly redete nicht über ihre Angelegenheiten. Die Tatsache, daß er überhaupt gefragt hatte, zeigte, wie überrascht er war.
»Sheriff?«
»Stellen Sie sie durch, Sheila. Ten-four.«
»Ten-forty, Sheriff.«
Bink!
Er stand da im Sonnenschein, und sein Herz klopfte zu schnell und zu heftig. Das gefiel ihm nicht.
Das bink! -Geräusch ertönte abermals, gefolgt von Sheilas Stimme – weit fort, fast verloren. »Bitte, sprechen Sie, Polly – die Verbindung ist hergestellt.«
»Alan?« Ihre Stimme war so laut, daß er zusammenfuhr. Es war die Stimme eines Riesen – eines wütenden Riesen. Das wußte er schon jetzt – das eine Wort hatte genügt.
»Ich höre, Polly – was gibt es?«
Einen Moment lang war da nur Schweigen. Irgendwo, tief darunter, war das schwache Gemurmel anderer Telefonstimmen. Er hatte Zeit, sich zu fragen, ob er die Verbindung mit ihr verloren hatte – fast zu hoffen, daß das der Fall war.
»Alan, ich weiß, daß wir abgehört werden können«, sagte sie, »aber du solltest eigentlich wissen, wovon ich rede. Wie konntest du das tun? Wie konntest du?«
Irgend etwas kam ihm bekannt vor an diesem Gespräch. Irgend etwas.
»Polly, ich verstehe nicht, was du...«
»Oh, ich denke doch«, erwiderte sie. Ihre Stimme wurde schwerer, härter, und Alan begriff, daß sie, wenn sie nicht jetzt schon weinte, es bald tun würde. »Es tut weh, feststellen zu müssen, daß man einen Menschen, den man zu kennen glaubt, überhaupt nicht kennt. Es tut weh, feststellen zu müssen, daß das Gesicht, das man zu
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