In einer kleinen Stad
lieben glaubte, nur eine Maske ist.«
Etwas, das ihm bekannt vorkam, ja, und jetzt wußte er auch, was es war. Dies glich den Alpträumen, die er nach dem Tod von Annie und Todd gehabt hatte, den Alpträumen, in denen er am Straßenrand stand und zusah, wie sie in dem Scout an ihm vorbeifuhren. Sie waren auf dem Weg in den Tod. Er wußte es, aber er war außerstande, etwas daran zu ändern. Er versuchte, die Arme zu schwenken, aber sie waren zu schwer. Er versuchte zu schreien und wußte nicht mehr, wie man den Mund aufmacht. Sie fuhren an ihm vorbei, als wäre er unsichtbar, und jetzt war es genau so – er war auf irgendeine gespenstische Art für Polly unsichtbar geworden.
»Annie...« Er begriff entsetzt, welchen Namen er da ausgesprochen hatte, und korrigierte sich schnell. »Polly. Ich weiß nicht, wovon du redest, Polly, aber...«
»Du weißt es! « schrie sie ihn plötzlich an. »Behaupte nicht, du wüßtest es nicht. Du weißt es sehr genau! Weshalb konntest du nicht warten, bis ich es dir erzähle, Alan? Und wenn du schon nicht warten konntest, weshalb hast du mich dann nicht gefragt? Weshalb mußtest du es hinter meinem Rükken tun? Wie konntest du mich so hintergehen?«
Er kniff die Augen zusammen und versuchte, seine rasenden, verwirrten Gedanken wieder unter Kontrolle zu bekommen, aber es nützte nichts. Statt dessen erschien vor seinem inneren Auge ein grauenhaftes Bild: Mike Horton vom Journal-Register in Norway, der über den Bearcat-Scanner der Zeitung gebeugt dasaß und sich wie ein Verrückter in seiner Privatkurzschrift Notizen machte.
»Ich weiß nicht, wovon du redest, daß ich es getan hätte, aber es muß ein Irrtum sein. Ich komme zu dir, dann können wir miteinander reden...«
»Nein. Ich glaube nicht, daß ich dich jetzt sehen kann, Alan.«
»Doch, das kannst du. Und du wirst es tun. Ich werde...«
Da meldete sich Henry Paytons Stimme zu Wort. Warum tun Sie es nicht sofort, bevor er nervös wird und beschließt, Verwandte in Dry Hump, South Dakota, zu besuchen?«
»Du wirst was?« fragte sie. »Du wirst was?«
»Mir ist gerade etwas eingefallen«, sagte Alan langsam.
»Ach, wirklich? War es ein Brief, den du Anfang September geschrieben hast, Alan? Ein Brief nach San Francisco?«
»Ich weiß wirklich nicht, wovon du redest. Polly. Ich kann jetzt nicht kommen, weil sich etwas getan hat – in der anderen Sache. Aber später...«
Sie sprach zu ihm durch eine Reihe von keuchenden Schluchzern hindurch, die eigentlich hätten bewirken müssen, daß sie schwer zu verstehen war – sie taten es aber nicht. »Hast du noch nicht begriffen, Alan? Es gibt kein Später, niemals mehr. Du...«
»Polly, bitte ...«
»Nein! Laß mich in Ruhe! Laß mich in Ruhe, du hinterhältiger, schnüffelnder Bastard!«
Bink!
Und plötzlich lauschte Alan wieder dem Summen der offenen Telefonleitung. Er ließ den Blick über die Kreuzung von Main und School Street wandern wie ein Mann, der nicht weiß, wo er sich befindet, und dem nicht klar ist, wie er hergekommen ist. In seinen Augen lag der abwesende, verwirrte Ausdruck, den man oft in den letzten paar Sekunden in den Augen von Boxern sieht, bevor ihnen die Knie wegsacken und sie für einen langen Winterschlaf zu Boden gehen.
Wie war das passiert? Und wie war es so schnell passiert?
Er hatte nicht die geringste Ahnung. Im Laufe der letzten Woche schien die ganze Stadt ein wenig verrückt geworden zu sein – und jetzt hatte es auch Polly erwischt.
Bink!
»Hem – Sheriff?« Es war Sheila, und Alan erkannte an ihrer gedämpften, zögerlichen Stimme, daß sie den letzten Teil seines Gesprächs mit Polly mitgehört hatte. »Alan, hören Sie mich? Bitte melden.«
Er verspürte den plötzlichen, verblüffend starken Drang, das Mikrofon in die Büsche hinter dem Gehsteig zu feuern. Und dann davonzufahren. Irgendwohin. Einfach an überhaupt nichts mehr zu denken und immer der Sonne nachzufahren.
Statt dessen raffte er all seine Kraft zusammen und zwang sich, an Hugh Priest zu denken. Das war, was er tun mußte, denn jetzt sah es so aus, als hätte womöglich Hugh den Tod der beiden Frauen auf dem Gewissen. Jetzt war Hugh seine Sache, nicht Polly – und er stellte fest, daß sich in diesem Gedanken eine große Erleichterung verbarg.
Er drückte auf den Sendeknopf. »Ja, Sheila. Ten-four.«
»Alan, ich glaube, ich habe die Verbindung mit Polly verloren. Ich – hem – wollte nicht mithören, aber...«
»Schon gut, Sheila. Wir waren fertig.« (Was
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