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In einer Person

In einer Person

Titel: In einer Person Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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nicht vollzogenen
Geschlechtsaktes mit mir aus First Sister vertrieben wurde. Wie Elaine sollte
sie »etappenweise« fortgeschickt werden, und die erste Etappe ihrer Entfernung
aus First Sister bestand in ihrer Entlassung aus der Bibliothek.
    Nachdem sie ihre Stelle verloren hatte, konnte Miss Frost ihre
pflegebedürftige Mutter nicht länger im alten Elternhaus versorgen; das Haus
musste verkauft werden. Das dauerte seine Zeit, und Miss Frost veranlasste die
Aufnahme ihrer Mutter in die Einrichtung für betreutes Wohnen, die Harry
Marshall und Nils Borkman der Stadt gestiftet hatten.
    Es würde mich nicht wundern, wenn Grandpa Harry und Nils mit Miss
Frost eine Sonderregelung trafen, wenn auch keine ganz so großzügige wie
diejenige der Favorite River Academy mit Mrs. Kittredge (die es ihrem Sohn
ermöglicht hatte, bis zu seinem Abschluss an der Schule zu bleiben, obwohl er
eine minderjährige Lehrertochter geschwängert hatte). So eine Sonderregelung
wurde Miss Frost bestimmt nicht angeboten.
    [365]  Als ich Tante Muriel über den Weg lief, begrüßte sie mich mit
geheuchelter Freundlichkeit: »Ah, hallo, Billy – wie geht’s denn immer so?
Hoffentlich sind alle normalen Beschäftigungen eines
jungen Mannes in deinem Alter so befriedigend für dich, wie sie sein sollten !«
    Worauf ich wie aus der Pistole geschossen erwiderte: »Es ist zu
keiner Penetration gekommen – mit anderen Worten, nichts von dem, was die
allermeisten Leute unter Sex verstehen. So wie ich es sehe, Tante Muriel, bin
ich noch Jungfrau.«
    Worauf Tante Muriel natürlich schnurstracks zu meiner Mutter lief,
um sich über mein verwerfliches Betragen zu beschweren!
    Meine Mutter wiederum strafte mittlerweile Richard genau wie mich
mit Schweigen – ohne zu merken, wie froh ich war, dass sie nicht mit mir
redete. Ihr Schweigen zog ich bei weitem ihrem gewohnheitsmäßigen Gemecker vor;
außerdem hinderte mich ihr Schweigen ja nicht daran, dass ich sie ansprach.
    »Ach, hallo, Mom – wie geht’s? Was ich dir noch sagen wollte: Ich
fühle mich absolut nicht missbraucht, sondern ganz im
Gegenteil von Miss Frost beschützt – sie hat mich doch tatsächlich davor bewahrt, in sie einzudringen, und ich muss ja wohl nicht
eigens erwähnen, dass sie nicht in mich eingedrungen ist!«
    Mehr als das bekam ich normalerweise nicht heraus, ehe meine Mutter
in ihr Schlafzimmer lief und die Tür hinter sich schloss. »Richard!«, rief sie
dann jedes Mal und vergaß dabei ganz, dass sie ihn ja auch »mit Schweigen
strafte«, weil er sich für Miss Frosts aussichtslose Sache einsetzte.
    [366]  »Nichts von dem, was die meisten Leute Sex nennen, Mom – mehr sag
ich ja gar nicht«, fuhr ich dann auf meiner Seite der geschlossenen
Schlafzimmertür fort. »Was Miss Frost mir tatsächlich angetan hat, war nicht
mehr als eine ausgefallene Variante von Onanie. Es
hat sogar einen eigenen Namen und alles, aber mit näheren Einzelheiten will ich dich lieber verschonen!«
    »Hör auf, Billy – hör auf, hör auf, hör bloß auf!«, stieß meine
schluchzende Mutter hervor. (Wahrscheinlich vergaß sie, dass sie mich ebenfalls
eigentlich »mit Schweigen strafte«.)
    »Immer mit der Ruhe, Bill«, ermahnte mich Richard Abbott dann. »Ich
fürchte, deine Mutter ist zurzeit etwas mit den Nerven runter.«
    »Zurzeit etwas mit den Nerven runter«, wiederholte ich und sah ihm
in die Augen – bis er wegschaute.
    »Eins kannst du mir glauben, William«, hatte Miss Frost mir gesagt,
während wir uns gegenseitig an den Penis fassten. »Wenn du einmal damit
anfängst zu wiederholen, was andere zu dir sagen, wirst du die Angewohnheit
ganz schlecht wieder los.«
    Aber ich wollte die Angewohnheit gar nicht loswerden; es war ihre Angewohnheit gewesen, und ich nahm mir vor, sie in
Ehren zu halten.
    »Ich verurteile dich nicht, Billy«, sagte Mrs. Hadley. »Ich sehe
selbst, auch ohne von dir in jedes Detail eingeweiht zu werden, dass deine
Erfahrung mit Miss Frost einen gewissen positiven Einfluss auf dich hatte.«
    »In jedes Detail eingeweiht«, wiederholte ich. »Positiven Einfluss.«
    [367]  »Trotzdem, Billy, habe ich wohl die Pflicht, dich darauf
hinzuweisen, dass bei einer erotisch gefärbten Begegnung dieser heiklen Art die
meisten Erwachsenen eine bestimmte Reaktion erwarten.« Hier schwieg Martha
Hadley; ich folgte ihrem Beispiel. Noch spielte ich mit dem Gedanken, den Teil
mit »einer erotischen Begegnung dieser heiklen Art« zu wiederholen, als Mrs.
Hadley ihren

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