In einer Person
(auch einen Kubaner); es gab zahlreiche
Osteuropäer, aber nur zwei Iraner. Es gab [537] Griechisch-Römisch- und
Freistilringer und solche, die ihrem ganz persönlichen Ringerstil frönten –
Letztere gab es gehäuft unter den ganz Jungen und den Alten.
Ed zeigte mir, wie ich mit einer Beinschere meinen Durchschlüpfer
vorbereiten konnte; Wolfie brachte mir eine Reihe Armdrehschwünge bei; Sonny
zeigte mir den russischen Armhebel und einen üblen Knöchelgriff. Ich schrieb
Trainer Hoyt und berichtete von meinen Fortschritten. Herm und ich wussten
beide, dass ich nie Ringer werden würde – nicht mit Ende dreißig –, aber wenn
es darum ging, mich selbst zu schützen, da machte ich
Fortschritte. Und mir gefiel es, dass es nun eine Regelmäßigkeit in meinem
Leben gab, wenn ich um 19 Uhr zum Ringen ging.
»Du wirst noch ein Gladiator!«, sagte Larry eines Tages, und dieses
eine Mal frotzelte er nicht.
Sogar Elaine war inzwischen weniger ängstlich. »Dein Körper hat sich
verändert, Billy – das weißt du doch, oder? Ich sage ja nicht, du wärst einer
dieser Fitnessfreaks, die das nur aus kosmetischen Gründen tun – du hast andere
Gründe, ich weiß –, aber allmählich siehst du schon ein wenig furchterregend
aus.«
Ich wusste, dass ich auf niemanden wirklich »furchterregend« wirkte.
Doch mit den auslaufenden 1970ern verschwanden auch generell einige uralte,
tiefsitzende Ängste und Befürchtungen.
Wohlgemerkt: Auch in den achtziger Jahren war New York keine sichere
Stadt; wenigstens nicht annähernd so »sicher« wie heute. Doch ich persönlich
fühlte mich sicher – oder allmählich sicherer, was meine Identität betraf – [538] als
je zuvor. Ich war so weit, dass ich allmählich sogar Miss Frosts Warnungen für
unbegründet hielt. Vielleicht hatte sie einfach zu lange in Vermont gelebt;
eventuell hatte sie zu Recht um meine Sicherheit in Vermont gefürchtet, aber in New York gab es keinen Grund dafür.
Manchmal hatte ich überhaupt keine Lust, zum Ringertraining zu
gehen. Doch Arthur und viele andere hatten sich so bemüht, dass ich mich dort
wohl fühlte, da wollte ich sie nicht enttäuschen. Trotzdem dachte ich immer
öfter: Weshalb musst du dich selbst verteidigen können? Gegen
wen musst du dich verteidigen?
Inzwischen waren Bestrebungen im Gange, mich als offizielles
Mitglied des New York Athletic Club aufzunehmen; ich erinnere mich kaum noch an
das Verfahren, doch es war sehr kompliziert und dauerte eine halbe Ewigkeit.
»Du solltest eine Mitgliedschaft auf Lebenszeit anstreben – oder
hast du etwa vor, von New York wegzuziehen, Billy?«, hatte Arthur gefragt; er
bürgte für mich. Mich als berühmten Schriftsteller zu bezeichnen, wäre
vielleicht etwas hochgegriffen gewesen, aber mit bald vier veröffentlichten
Romanen war ich wenigstens halbwegs bekannt.
Und Geld war auch kein Problem. Grandpa Harry war begeistert, dass
ich mich entschlossen hatte, »weiter zu ringen« – vermutlich hatte Herm Hoyt
mit ihm gesprochen. Grandpa Harry sagte, er wolle liebend gern die Kosten für
eine lebenslange Mitgliedschaft übernehmen.
»Mach dir nicht noch mehr Umstände, Arthur«, sagte ich zu ihm. »Der
Club bedeutet mir viel, aber ich will nicht, dass du meinetwegen Leute
verprellst oder Freundschaften aufs Spiel setzt.«
[539] »Du bist ein Selbstläufer, Billy«, entgegnete Arthur. »Schwul zu
sein ist kein Problem.«
»Ich bin bi –«, setzte ich an.
»Ich meine bi, das ist kein Problem, Billy«, sagte Arthur. »Nicht so
wie früher mal.«
»Da magst du recht haben«, sagte ich, und es schien tatsächlich so
zu sein – jedenfalls bis zum Jahreswechsel 1980/1981.
Wie ein Jahrzehnt so unbemerkt und scheinbar nahtlos in ein anderes
übergehen konnte, war mir ein Rätsel, zumal in diese Zeit Nils Borkmans Tod
fiel – gefolgt von Mrs. Borkmans Selbstmord.
»Es waren beides Selbstmorde, Bill«, hatte Grandpa Harry durchs
Telefon geflüstert – als würde sein Telefon abgehört.
Nils stand kurz vor seinem 89. Geburtstag. Es war kurz vor
Weihnachten und die alljährliche Schusswaffenjagdsaison für Hirsche. Nils hatte
sich den Hinterkopf mit einem Karabiner vom Kaliber .30-30 weggeschossen,
während er auf seinen Langlaufskiern das Sportgelände der Favorite River
Academy durchquerte. Die Schüler waren bereits über die Weihnachtsferien nach
Hause gefahren, und Nils hatte seinen alten Widersacher Chuck Beebe angerufen –
den Jagdaufseher, der dagegen gewesen war, dass Nils und
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