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In einer Person

In einer Person

Titel: In einer Person Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Gewichtsklasse. Ob er damit den Kontakt zu mir auf
der Matte vermeiden wollte, erfuhr ich nie.
    Gelegentlich gab es eine Massenflucht aus der Sauna, wenn ich dort
nach dem Training auftauchte. Ich sprach darüber mit Arthur. »Vielleicht sollte
ich mich von der Sauna fernhalten – was meinst du?«
    »Das liegt ganz bei dir, Billy – es ist ihr Problem, nicht deins«,
sagte Arthur. (Alle Ringer nannten mich immer nur »Billy«.)
    Trotz Arthurs begütigenden Worten beschloss ich, der Sauna
fernzubleiben. Training war um 19 Uhr, und ich ging inzwischen gerne hin und
fühlte mich wohl. Bis auf jenes eine Mal nannte mich keiner mehr »den Schwulen «, jedenfalls nicht von Angesicht zu Angesicht.
Meist nannte man mich »den Schriftsteller«; die meisten Ringer hatten meine
sexuell expliziten Romane nicht gelesen (diese Plädoyers für sexuelle
Abweichungen, wie Richard Abbott meine Bücher weiterhin charakterisierte),
Arthur aber schon. Wie viele andere Männer erzählte er mir, seine Frau sei mein
größter Fan.
    Das bekam ich von Männern über die Frauen in ihrem Leben häufig zu
hören: dass ihre Ehefrauen, ihre Freundinnen, ihre Schwestern, sogar ihre
Mütter, meine größten Fans seien. Offenbar lesen Frauen mehr Romane als Männer.
    Ich hatte Arthurs Frau kennengelernt. Sie war sehr nett; sie las wirklich
eine Menge Literatur, und ich mochte viel [535]  von dem, was ihr gefiel – als
Leser, meine ich damit. Sie hieß Ellen – eine dieser kessen Blondinen mit
Bubikopf und einem winzig kleinen, schmallippigen Mund. Sie hatte die Sorte
straffer Möpse, die ihr anderweitiges Unisex-Aussehen Lügen straften – o Mann,
sie war aber auch gar nicht mein Typ. Doch sie war
ehrlich nett zu mir, und Arthur – der Gute – war ausgesprochen verheiratet. Ich würde ihn Elaine nicht vorstellen.
    Ja, abgesehen von dem einen oder anderen Bier mit Arthur in der
kleinen Bar des NYAC verkehrte ich nicht privat
mit den Ringern, die ich beim Training kennenlernte. Der Ringerraum lag damals
im dritten Stock – am anderen Ende des Flurs befand sich der Boxraum. Einer
meiner häufigen Trainingspartner beim Ringen – Jim Soundso (seinen Nachnamen habe ich vergessen) – war auch Boxer. Alle Ringer wussten,
dass ich nie Wettkämpfe bestritten hatte und nur trainierte, um mich im Notfall
besser selbst verteidigen zu können. Um meine Selbstverteidigungskünste zu
fördern, nahm Jim mich den Flur runter mit in den Boxraum; er wollte mir
beibringen, wie man Schlägen ausweicht.
    Es war interessant: Ich lernte zwar nie so richtig, wie man einen
ordentlichen Schlag austeilt, aber Jim brachte mir bei, wie man die Deckung
organisiert und nicht zu schwere Schläge einsteckt. Gelegentlich traf Jim mich
schwerer als beabsichtigt und entschuldigte sich dann immer bei mir.
    Auch im Ringerraum musste ich gelegentlich einiges einstecken – eine
aufgeplatzte Lippe, eine blutige Nase, einen verstauchten Finger. Ich war so
intensiv dabei, verschiedene Varianten meines Durchschlüpfers vorzubereiten
(und zu [536]  verschleiern), dass es zu jeder Menge Kopfstößen kam; man stößt mehr
oder weniger zwangsläufig mit den Köpfen zusammen, wenn man häufig den
Nackengriff anbringt. Arthur verpasste mir versehentlich einen kräftigen
Kopfstoß, anschließend musste der Riss über meiner rechten Augenbraue mit ein
paar Stichen genäht werden.
    Tja, ihr hättet Larry, Elaine und all die anderen hören sollen.
    »Macho Man« nannte mich Larry eine
Zeitlang.
    »Du bleibst wohl dabei, dass alle immer nur nett zu dir sind –
stimmt’s, Billy?«, fragte Elaine. »Das war nur ein herzlicher Kopfstoß, hm?«
    Aber egal, wie sehr mich meine Schriftstellerfreunde damit aufzogen – ich machte Fortschritte, und mein Durchschlüpfer wurde viel besser.
    »Den Ein-Griff-Mann« hatte Arthur mich in der Anfangszeit meines
Ringertrainings im NYAC genannt, doch im Laufe
der Zeit eignete ich mir noch ein paar andere Griffe an. Für die anderen Ringer
muss es langweilig gewesen sein, mich als Trainingspartner zu haben, doch sie
beklagten sich nicht.
    Drei oder vier der alten Kämpen gaben mir sogar Tipps. (Vielleicht
zum Dank dafür, dass ich der Sauna fernblieb.) Es gab eine ganze Reihe über vierzigjährige
Ringer – einige waren sogar schon über fünfzig, richtig zähe alte Brocken. Es
gab aber auch junge Kerle, die frisch von der Uni kamen, sowie einige
Möchtegernolympioniken und echte ehemalige Teilnehmer an Olympischen Spielen.
Es gab sowjetische Überläufer

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