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In einer Person

In einer Person

Titel: In einer Person Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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natürlich
konnte sie sie fühlen – auch wenn eine Pflegerin sie täglich rasierte.
    »Ich möchte Sie bloß vorbereiten«, sagte mir John. »Passen Sie auf,
dass Sie nicht ›Donna‹ zu ihm sagen. Auch nicht aus Versehen.« Bei unseren
Telefonaten war mir aufgefallen, dass der Pflegedienstleiter sehr bewusst er und ihm sagte, wenn es um
»Don« ging. Kein einziges Mal entschlüpfte ihm ein sie, ihr oder Donna.
    Gut gewappnet, machte ich mich also auf den Weg zur Huntley Street
im Zentrum von Toronto – eine kleine Wohnstraße, so mein erster Eindruck
(zwischen Church Street und Sherbourne Street, falls Sie die Stadt kennen).
Casey House wirkte wie ein überdimensionales Einfamilienhaus; die Atmosphäre
war so freundlich und angenehm wie nur möglich, auch wenn die Möglichkeiten
begrenzt sind, wundgelegenen Stellen und Muskelschwund abzuhelfen – oder dem penetranten
Gestank eines fulminanten Durchfalls, wie energisch man ihn auch zu übertünchen [647]  versucht. In Donnas Zimmer roch es beinahe nett nach Lavendel. (Ein
Toilettendeo, ein parfümiertes Desinfektionsmittel – keins meiner Wahl.) Ich
muss den Atem angehalten haben.
    »Bist du’s, Billy?«, fragte Donna; weiße Flecken trübten ihre Augen,
aber ihr Gehör war intakt. Bestimmt hatte sie gehört, wie ich die Luft anhielt.
Natürlich hatte man sie auf meinen Besuch vorbereitet, und eine Pflegerin hatte
sie eben erst rasiert; der maskuline Duft der Rasiercreme, oder vielleicht war
es ein Aftershave, war ungewohnt für mich. Als ich sie küsste, spürte ich
trotzdem die Bartstoppeln auf ihrer Wange – wie ich sie früher nicht einmal im
Bett mit ihr gespürt hatte – und konnte den 5-Uhr-Schatten auf ihrem
sauberrasierten Gesicht sehen. Sie nahm Coumadin; ich sah die Tabletten auf dem
Nachttisch.
    Mich beeindruckte, wie gut die Krankenpflege in Casey House
funktionierte; die Pflegekräfte verstanden sich darauf, Donna das Leben so
leicht wie möglich zu machen, einschließlich (natürlich) der Schmerztherapie.
John hatte mir die feinen Unterschiede zwischen sublingual, als Trank oder per
Pflaster verabreichtem Morphium erklärt, aber ich hatte nicht richtig zugehört.
Außerdem hatte er mir erklärt, dass Don eine Spezialsalbe gegen seinen Juckreiz
nahm, obwohl sie ihn »einigen Steroiden« aussetzte.
    Jedenfalls sah ich, dass Donna in Casey House in guten Händen war
und bestens versorgt wurde – obwohl sie blind war und als
Mann starb. Während ich Donna besuchte, kamen auch zwei ihrer
Freundinnen aus Toronto vorbei – zwei sehr passable
Transsexuelle, die offensichtlich beide großen Wert darauf legten, ein Leben als Frau zu führen. [648]  Als Donna uns miteinander bekannt
machte, hatte ich stark den Eindruck, dass sie die beiden auf mich vorbereitet
hatte; womöglich hatte sie ihre Freundinnen sogar gebeten vorbeizukommen,
während ich da war. Vielleicht wollte Donna mir zeigen, dass sie endlich unter
»ihresgleichen« angekommen und in Toronto glücklich gewesen war.
    Die beiden Transsexuellen waren sehr nett zu mir – die eine flirtete
mit mir, aber das war nur Fassade. »Ach, Sie sind der Schriftsteller – wir wissen alles über Sie!«, sagte die kontaktfreudigere, aber weniger Kokette der beiden.
    »Ach ja, der Bi -Typ, stimmt’s?«, sagte die
andere, die mit mir flirtete. (Was eindeutig nicht ernst gemeint war. Der Flirt
sollte nur Donna amüsieren, die eine große Flirtexpertin gewesen war.)
    »Vor der musst du dich in Acht nehmen, Billy«, warnte mich Donna,
und alle drei lachten. Wenn ich an Atkins dachte, an Delacorte und Larry – ganz
zu schweigen von diesen Fliegern, die Miss Frost umgebracht hatten –, war es
kein schrecklich schmerzhafter Besuch. Irgendwann sagte Donna sogar zu ihrer
koketten Freundin: »Weißt du was, Lorna – Billy hat sich nie beschwert, dass
mein Schwanz zu groß wär. Dir hat mein Schwanz gefallen, was, Billy?«, fragte sie mich.
    »Aber ja doch«, versicherte ich ihr und hütete mich davor, »aber ja
doch, Donna« zu sagen.
    »Jaa, aber du hast mir gesagt, dass Billy ein Aktiver ist«, wandte Lorna ein; die andere Transsexuelle, Lilly, lachte. »Versuch mal,
als Passiver rauszufinden, was ein zu großer Schwanz mit dir macht!«
    »Siehst du, Billy?«, trumpfte Donna auf. »Ich hab dir ja [649]  gesagt,
vor Lorna musst du dich in Acht nehmen. Schon hat sie raus, wie sie dich wissen
lassen kann, dass sie ein Passiver ist und kleine Schwänze mag.«
    Darüber mussten alle drei lachen – und ich

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