In einer Person
stimmte mit ein. Erst als
ich mich von Donna verabschiedete, fiel mir auf, dass weder ihre Freundinnen
noch ich sie mit Namen angeredet hatten – weder Donna noch Don. Die beiden Transsexuellen warteten auf mich, während ich mich von John
verabschiedete; mit dem hätte ich nicht den Beruf tauschen mögen.
Dann ging ich mit Lorna und Lilly zum U-Bahnhof Sherbourne; sie
fuhren mit der U-Bahn nach Hause, sagten sie. Wie sie »nach Hause« sagten und
sich an den Händen hielten, wirkte auf mich so, als wohnten sie zusammen. Als
ich sie fragte, wo ich ein Taxi zurück ins Hotel finden könne, sagte Lilly:
»Gut, dass Sie den Namen Ihres Hotels erwähnt haben – keine Sorge, ich werde
Donna schon ausrichten, dass Sie eine Menge Schweinkram mit Lorna angestellt haben.«
Lorna lachte. »Wahrscheinlich werde ich Donna ausrichten, dass Sie
auch mit Lilly Schweinkram angestellt haben«, sagte sie mir. »Donna steht total
drauf, wenn ich ihr sage: ›Lorna hat noch jeden Schwanz gemocht, der ihr
untergekommen ist, egal, ob groß oder klein‹ – dann
lacht sie Tränen.«
Lilly lachte und ich auch, aber unser Flirt war beendet. Den hatten
wir nur vor Donna zelebriert. Am U-Bahnhof Sheridan küsste ich Donnas
Freundinnen zum Abschied auf ihre vollkommen weichen, völlig glattrasierten
hübschen Wangen (ohne einen Hauch Bartstoppeln – jedenfalls [650] war er für mich
nicht spürbar – und ohne den kleinsten 5-Uhr-Schatten). Ich träume immer noch
von den beiden.
Während wir uns verabschiedeten, dachte ich an das, was Mrs.
Kittredge angeblich zu Elaine gesagt hatte, als sie zusammen auf Europareise
gewesen waren. (Was sie wirklich gesagt hatte – nicht
die Geschichte, die Elaine mir anfangs aufgetischt hatte.)
»Ich weiß nicht, was dein Sohn will«, hatte Elaine zu Kittredges
Mutter gesagt. »Ich weiß nur, dass er immer irgendwas will.«
»Ich sag dir, was er will – mehr noch, als uns zu ficken«, hatte
Mrs. Kittredge gesagt. »Er will eine von uns sein, Elaine. Er will kein Junge oder Mann sein; dass er endlich so gut darin ist,
ein Junge oder Mann zu sein, bedeutet ihm nichts. Er hat von Anfang an nie ein
Junge oder ein Mann sein wollen !«
Aber wenn Kittredge jetzt eine Frau war – wenn er so war wie Donna
früher und wie ihre beiden sehr »passablen« Freundinnen noch jetzt –, und wenn
er Aids hatte und irgendwo dahinsiechte, was, wenn er kein Östrogen mehr bekam?
Kittredge hatte einen sehr starken Bartwuchs; jetzt
noch, nach über dreißig Jahren, spürte ich, wie kräftig seine Bartstoppeln
waren. So oft und so lange hatte ich mir vorgestellt, wie sie an meinen Wangen
kratzten.
Wissen Sie noch, was er mir über Transsexuelle gesagt hatte?
»Schade, dass ich nie eine ausprobiert hab«, hatte er mir ins Ohr geflüstert,
»denn ich glaub, wenn man eine aufgabelt, kommen die anderen alle im Schlepptau
mit.« (Er hatte über die Transvestiten gesprochen, die er in Paris gesehen
hatte.) »Ich glaub, wenn ich es ausprobieren wollte, [651] dann in Paris«, hatte
Kittredge mir gesagt. »Aber du, Nymphe – du hast es
schon gemacht !«, hatte er ausgerufen.
Elaine und ich hatten Kittredges Einzelzimmer in der Favorite River
Academy gesehen, wobei (mich jedenfalls) das Foto von ihm und seiner Mutter
nach einem Ringerturnier am meisten beeindruckt hatte. Elaine und mir war
gleichzeitig aufgefallen, dass eine unbekannte Hand das Gesicht von Mrs.
Kittredge ausgeschnitten und auf Kittredges Körper geklebt hatte. Da stand
seine Mutter im Ringertrikot ihres Sohnes. Und sein schöngeschnittenes Gesicht
war auf den attraktiven, elegant und geschmackvoll gekleideten Körper seiner
Mutter gepappt.
Es war nämlich so, dass sich Kittredges Gesicht auf dem Körper einer
Frau mit den Kleidern einer Frau gut machte. Elaine
hatte mich davon überzeugt, dass Kittredge die Gesichter auf dem Foto
vertauscht haben musste; Mrs. Kittredge konnte es nicht gewesen sein. »Diese
Frau hat weder Phantasie noch Sinn für Humor«, hatte Elaine auf ihre energische
Art gesagt.
Inzwischen war ich aus Toronto zurück. Nach dem Abschied von Donna
sollte Lavendel für mich nie mehr so duften wie früher, und Sie können sich die
Ernüchterung vorstellen, als Onkel Bob mich mit der neuesten Nachricht vom Tod
eines Mitschülers in meinem Haus an der River Street anrief.
Ich hatte gerade meinen 53. Geburtstag gefeiert. Es war März 1995;
in First Sister lag noch reichlich Schnee, und es gab nichts außer Tauwetter
mit Schneematsch, worauf
Weitere Kostenlose Bücher