In einer Person
Sextouristen – Schwule im Fummel, die
Hetero-Pärchen unterhielten. Die rein männlichen Gruppen im Publikum waren
junge Männer, die sich amüsieren wollten; die rein weiblichen Gruppen Frauen,
die Schwänze sehen wollten. Die Männer auf der Bühne waren Schauspieler und
sich sehr wohl bewusst, dass sie Männer waren. Sie waren nicht halb so passabel
wie meine [114] gute Donna, sondern von der altmodischen Sorte Transvestiten, die
gar nicht ernsthaft als Frauen durchgehen wollte. Perfekt geschminkt und in
aufwendiger Kostümierung, sahen sie sehr gut aus, doch es waren gutaussehende,
als Frauen verkleidete Männer. Mit ihren Kleidern und
Perücken wirkten diese Männer zwar sehr weiblich, machten aber niemandem was
vor – sie versuchten es nicht einmal.
Klaus und Claudia ahnten offensichtlich nicht, dass Donna eine von
ihnen war (obwohl es ihr weitaus ernster damit war und sie auch weitaus
überzeugender wirkte).
»Ich wusste es nicht«, sagte ich zu Donna. »Ich hab’s ehrlich nicht
gewusst. Es tut mir leid.«
Donna hatte es die Sprache verschlagen. Nie und nimmer hätte sie –
wir waren in den siebziger Jahren – vermutet, dass die Europäer so an sexuelle
Abweichungen gewöhnt waren, dass sie sich schon darüber lustig machen konnten.
Diese Selbstpersiflage der Darsteller muss eine Qual für Donna
gewesen sein, die so hart daran gearbeitet hatte, sich als Frau annehmen zu
können.
In einem Sketch tat eine sehr große Transe so, als führe sie Auto,
während ihr Partner – ein verängstigt dreinschauender kleinerer Mann –
versuchte, ihr einen zu blasen. Den kleinen Mann verängstigte die Größe des
Transenschwanzes und dass seine läppischen Bemühungen um diesen Riesenschwanz die
Transe beim Fahren störten.
Natürlich verstand Donna nicht, was gesprochen wurde; die Transe
quasselte pausenlos und beschwerte sich, wie lausig sie oral befriedigt wurde.
Und ich musste lachen, was Donna mir wohl nie verziehen hat.
Klaus und Claudia dachten ganz offensichtlich, ich hätte [115] eine
typisch amerikanische Freundin und ihr würde die Show nicht gefallen, weil sie
sexuell verklemmt und prüde sei. Und ich sah keine Möglichkeit, die beiden
aufzuklären – jedenfalls nicht dort.
Als wir hinausgingen, war Donna so fertig, dass sie zusammenzuckte,
als eine Kellnerin sie ansprach. Die Kellnerin war ein großer Transvestit; als
einer der Darsteller wäre sie nicht weiter aufgefallen. Sie sagte zu Donna (auf
Deutsch): »Sie sehen blendend aus.« Es war ein Kompliment, aber ich wusste,
dass die Transe wusste, dass Donna eine Transsexuelle war. (Fast niemand
erkannte das damals. Donna posaunte es nicht heraus; sie gab alles, um eine
Frau zu sein und nicht nur als eine zu gelten.)
»Was hat sie gesagt?«, fragte Donna mich auf dem Weg zum Ausgang
immer wieder. In den siebziger Jahren war die Reeperbahn anders als heute keine
totale Touristenfalle; natürlich gab es schon Sextouristen, aber die Straße war
damals ein zwielichtiger Ort – so wie die Gegend um den Times Square früher
zwielichtig war und nicht so von Gaffern übervölkert.
»Sie hat dir ein Kompliment gemacht – sie fand, dass du ›blendend‹
aussiehst. Sie hat gemeint, dass du schön bist«, erklärte ich Donna.
»Sie hat gemeint ›für einen Mann‹, stimmt’s – das hat sie doch wohl gemeint ?«, wollte Donna von mir wissen. Sie weinte. Klaus
und Claudia begriffen es immer noch nicht. »Ich bin nicht irgend so ’n billiges
Flittchen im Fummel!«, schluchzte Donna.
»Tut uns leid, wenn es keine gute Idee war«, sagte Klaus ziemlich
verkrampft. »Es soll komisch sein – sie wollen [116] niemanden beleidigen. « Ich kam aus dem Kopfschütteln nicht mehr
raus; der Abend war nicht zu retten, das wusste ich.
»Hör mal, Kumpel – ich hab ’nen größeren Schwanz als diese Transe in
dem Phantasieauto!«, sagte Donna zu Klaus. »Wollen Sie ihn sehen ?«,
fragte sie Claudia.
»Nicht«, warnte ich sie – ich wusste, dass Donna nicht prüde war.
Ganz und gar nicht!
»Sag’s ihnen«, verlangte sie von mir.
Natürlich hatte ich bereits ein paar Romane über sexuelle Abweichungen
geschrieben – über komplexe und manchmal verwirrende sexuelle Identitäten.
Klaus hatte meine Romane gelesen; du lieber Himmel, er hatte sogar ein Interview mit mir gemacht – somit hätten er und seine Frau
(oder Freundin) eigentlich wissen müssen, dass meine Freundin nicht verklemmt
war.
»Donna hat eindeutig einen größeren Schwanz als die
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