In einer Person
behalten –
wahrscheinlich magst du ihn sogar richtig«, sagte
sie.
»Deinen mag ich auch«, antwortete ich ihr – ebenfalls
wahrheitsgemäß.
»Ich weiß«, sagte sie seufzend. »Ich mag ihn halt bloß selber nicht
immer so besonders. Aber deinen mag ich immer«,
beeilte sie sich zu versichern.
Der arme Tom hätte Donna bestimmt zu »kompliziert« gefunden, aber
ich fand sie sehr mutig.
Mich schüchterte an Donna ein, dass sie sich ihrer selbst so sicher
war, doch das liebte ich auch so an ihr – das und den niedlichen Rechtsdrall
ihres Penisses, der mich an Sie-wissen-schon-wen erinnerte.
Auf Kittredges Penis sollte ich schließlich nie mehr als verstohlene
Blicke in der Dusche der Favorite-River-Turnhalle erhaschen.
Donnas Penis dagegen bekam ich viel öfter zu Gesicht. Von ihr bekam
ich so viel zu sehen, wie ich wollte, auch [120] wenn ich, zu Beginn, einen so
unersättlichen Hunger nach ihr hatte (und nach anderen Transsexuellen, wenn
auch nur solchen, wie sie eine war), dass ich mir nicht vorstellen konnte,
jemals genug von ihr sehen oder haben zu können.
Schließlich trennte ich mich von ihr, nicht etwa, weil ich sie satthatte oder
weil sie an sich selbst gezweifelt oder sich in Frage gestellt hätte. Nein, am
Ende zweifelte sie an mir. Donna entwickelte sich weiter, und ihr Argwohn mir gegenüber ließ mich an mir selbst
zweifeln.
Als ich mich von Donna trennte (genau genommen, als sie sich von mir
trennte), wurde ich Transsexuellen gegenüber vorsichtiger – nicht, weil ich sie
nicht mehr begehrt hätte (ich finde sie immer noch außergewöhnlich mutig),
sondern weil Transsexuelle (und ganz besonders Donna) mich jeden Scheißtag
zwangen, dass ich mich den verwirrendsten Seiten meiner Bisexualität stellte!
Donna war anstrengend.
»Normalerweise mag ich Heteros«, erklärte sie mir ständig. »Andere
Transsexuelle mag ich auch – nicht nur solche wie mich, weißt du.«
»Ich weiß, Donna«, bestätigte ich ihr dann.
»Und mit Heteros, die auch Frauen mögen, komm ich ebenfalls klar –
schließlich versuche ich mein ganzes Leben als Frau zu führen. Ich bin halt nur
eine Frau mit Penis!«, fuhr sie mit lauter werdender Stimme fort.
»Ich weiß, ich weiß«, versicherte ich ihr.
»Aber du stehst auch auf andere Kerle – einfach nur Kerle – und auf Frauen, Billy.«
»Ja, stimmt – manche Frauen«, gab ich dann
zu. »Und süße Kerle – nicht alle süßen Kerle«,
korrigierte ich sie.
[121] »Was soll’s – scheißegal, ob alle oder
nicht, Billy«, sagte Donna dann. »Mich macht halt fertig, dass ich nicht weiß,
was dir an mir gefällt und was nicht. «
»Nichts an dir gefällt mir nicht, Donna.
Ich mag alles an dir«, versicherte ich ihr.
»Ach weißt du – wenn du mich eines Tages wegen einer Frau verlässt,
so wie ein Hetero, das würde ich kapieren. Oder wenn du zu Kerlen zurückgehst,
wie ein Schwuler – okay, das kapier ich auch«, sagte Donna. »Aber bei dir,
Billy – und das kapier ich überhaupt nicht –, weiß ich einfach nicht, für wen
oder was du mich verlassen wirst.«
»Das weiß ich auch nicht«, pflegte ich ihr darauf wahrheitsgemäß zu
antworten.
»Na siehst du – und deshalb verlasse ich dich, Billy«, sagte Donna.
»Du wirst mir wahnsinnig fehlen«, sagte ich ihr (auch das stimmte).
»Ich komm jetzt schon über dich hinweg, Billy« war alles, was sie
sagte. Aber bis zu jener Nacht in Hamburg hatte ich geglaubt, Donna und ich
könnten es schaffen.
So wie ich geglaubt hatte, meine Mutter und ich könnten es
schaffen. Ich meine, mehr als nur für immer Freunde zu bleiben. Nein, früher
glaubte ich, wir wären auf ewig unzertrennlich. Früher war meine Mutter bei
meiner kleinsten Verletzung in Sorge gewesen – beim kleinsten Husten oder
Niesen wähnte sie mich in Lebensgefahr. Ihre Sorgen um mich hatten etwas
Infantiles; sie bekam Alpträume von meinen Alpträumen, sagte sie einmal.
Meine Mutter erzählte mir, als Kind hätte ich [122] »Fieberträume«
gehabt; wenn das stimmt, so hielten sie bis in meine Pubertät an. Sie kamen mir
realer vor als Träume. Und sofern dem hartnäckigsten dieser Träume dennoch
etwas Reales zugrunde lag, erfuhr ich jedenfalls erst sehr spät davon. Eines Nachts – ich hatte Scharlach und war noch nicht wieder auf dem Damm – kam es mir so
vor, als erzählte mir Richard Abbott ein Kriegsabenteuer, obwohl Richards
einziges Kriegsabenteuer besagter Rasenmäherunfall war, der ihn
wehrdienstuntauglich gemacht hatte. Es
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