In einer Person
meistens umgedreht war, so dass man vom
Flur ins Bad spähen und glasklar erkennen konnte, wer darin war und was er oder
sie gerade tat!
Versuchen Sie das mal jemandem auf Deutsch
zu erklären, und Sie werden als Ausländer mit Ihren Deutschkenntnissen schnell
an Ihre Grenzen kommen. Doch irgendwie konnte ich Esmeralda das mit dem
umgekehrten Spion an unserem ersten gemeinsamen Abend notdürftig erklären.
»Du lieber Himmel!«, entfuhr es ihr auf Englisch. Sie hatte einen
milchkaffeebraunen Teint und den leichten Anflug eines Damenbarts auf der
Oberlippe. Ihr Haar war rabenschwarz und ihre Augen waren dunkelbraun, fast
schwarz. Sie hatte größere Hände als ich – und war auch insgesamt größer als
ich –, aber ihre Brüste waren (zu meiner Erleichterung) »normal«, also
»deutlich kleiner« als alles andere an ihr.
Na gut – ich sag’s. Mit meiner ersten richtigen Beziehung zu einer
Frau hatte ich teilweise deswegen gezögert, weil ich entdeckt hatte, dass ich
Analverkehr mochte. (Und wie!) Fraglos lauerten bei mir irgendwo im Hinterkopf
gewisse Bedenken, wie sich Vaginal verkehr wohl
anfühlen mochte.
[215] Ich weiß noch, dass ich in jenem Sommer in Europa mit Tom – als
der arme Tom so verunsichert war und sich so bedroht fühlte, obwohl ich Frauen
und Mädchen doch nur ansah – reichlich genervt aufstöhnte. »Um Himmels willen,
Tom«, rief ich, »ist dir noch nie aufgefallen, wie sehr ich Analsex mag? Was
meinst du wohl, wie ich mir das Vögeln mit einer Vagina vorstelle? Vielleicht
wie wenn man mit einem Ballsaal schläft!«
Natürlich hatte das Wort Vagina den armen
Tom ins Bad rennen lassen – wo er sich hörbar übergab. Doch obwohl ich nur
geblödelt hatte, blieb das Wort Ballsaal haften. Ich
kriegte es nicht mehr aus dem Kopf. Und wenn Vaginalsex tatsächlich so war, als schliefe man mit einem Ballsaal? Dennoch fühlte
ich mich weiterhin zu überdurchschnittlich großen Frauen hingezogen.
Unsere misslichen Wohnverhältnisse waren nicht das einzige
Hindernis, das zwischen Esmeralda und mir stand. Wir hatten einander probeweise
in unseren jeweiligen Zimmern besucht.
»Die Sache mit dem umgedrehten Guckloch in der Badezimmertür ertrag
ich ja noch«, hatte Esmeralda mir gesagt, »aber dieser kleine Junge ist mir
unheimlich.« Sie nannte Siegfried den »Eierschalenfresser«; im Lauf meiner
Beziehung mit Esmeralda stellte sich allerdings heraus, dass nicht Siegfried
persönlich Esmeralda unheimlich war.
Viel abschreckender als die Sache mit dem umgedrehten Türspion zum
Bad war für sie ihr Problem mit Kindern. Sie hatte eine Heidenangst davor,
eines zu bekommen; wie viele andere junge Frauen damals fürchtete sich
Esmeralda entsetzlich vor einer Schwangerschaft – aus gutem Grund.
[216] Eine Schwangerschaft hätte das Aus für Esmeraldas Berufswunsch
bedeutet, Opernsängerin zu werden. »Ich bin noch nicht so weit, als
Hausfrauensopranistin zu enden«, sagte sie. Wir wussten beide, dass man zwar in
bestimmten europäischen Ländern eine Abtreibung machen lassen konnte (wenn auch
nicht im katholischen Österreich), dass es aber schwer war, dafür Fachpersonal
zu finden – und unsicher und illegal waren Abtreibungen ohnehin. Das wussten
wir auch. Außerdem war Esmeraldas italienische Mutter sehr katholisch;
Esmeralda hätte selbst dann Bedenken gegen eine Abtreibung gehabt, wenn diese
leicht zu bekommen, sicher und legal gewesen wäre.
»Das Kondom, das bei mir eine Schwangerschaft verhütet, existiert
nicht«, sagte sie zu mir. »Ich bin fruchtbar für zehn.«
»Woher willst du das wissen?«, hatte ich sie gefragt.
»Weil ich mich so fühle, ständig – ich weiß es einfach«, lautete die
Antwort.
»Oh.«
Wir saßen keusch auf ihrem Bett, die Drohung einer ungewollten
Schwangerschaft als unüberwindliches Hindernis zwischen uns. Die Entscheidung,
in welchem Zimmer wir es miteinander versuchen sollten, war uns abgenommen
worden. Wenn wir zusammenwohnen wollten, würden wir uns Esmeraldas kleine Wohnung
teilen. Meine weinende Vermieterin hatte sich beim Institut beschwert; man
hatte mir vorgeworfen, aus perversen Motiven das Guckloch in der Badezimmertür
umzudrehen! Das Institut nahm mir meine Unschuldsbeteuerungen ab, aber ich
musste ausziehen.
[217] »Wetten, es war der Eierschalenfresser«, hatte Esmeralda gesagt.
Ich wollte nicht mit ihr streiten, aber Klein Siegfried hätte sich auf einen
Hocker oder Stuhl stellen müssen, bloß um an das alberne Gucklock
heranzukommen.
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