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In einer Person

In einer Person

Titel: In einer Person Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Grandpa Harry zu mir, » Was ihr wollt ist eine Komödie, darauf kannst du einen
lassen.«
    Als ich nur ein wenig größer und ein wenig älter war, verwahrte
Muriel sich dagegen, dass ich auf ihre Brüste starrte. Doch dieses spätere
Stück war keine Komödie, und erst jetzt kommt mir der Gedanke, dass Muriel –
als wir beide in Was ihr wollt Olivia und Sebastian
spielten – wahrscheinlich gar nicht sehen konnte, dass ich auf ihre Brüste
glotzte, weil ihre Brüste im Weg waren!
    Tante Muriels Mann, mein lieber Onkel Bob, verstand das komische
Element von Was ihr wollt sehr gut. Richard schien
sich darüber lustig zu machen, dass Bobs Trinkgewohnheiten für Muriel so
belastend waren, als er Onkel Bob als Junker Tobias von Rülp besetzte, Olivias
Onkel und – in seinen denkwürdigsten Momenten in dem Stück – ein ungehobelter
Säufer. Doch die anderen Schüler der Favorite River Academy mochten Bob ebenso
sehr wie ich – schließlich war er der äußerst liberale Sachbearbeiter in der
Zulassungsstelle des Internats. Bob hielt es für nicht weiter erwähnenswert,
dass die Schüler ihn mochten. (»Natürlich mögen sie mich, Billy. Sie haben mich
beim Aufnahmegespräch kennengelent, und ich hab sie schließlich reingelassen!«)
    Außerdem trainierte Bob Tennis und Squash – daher die Squashbälle.
Die Squashplätze lagen im Kellerbereich der Sporthalle, unterirdisch und
nasskalt. Wenn einer der Squashplätze nach Bier stank, sagten die Jungs, dort
müsse Trainer Bob gespielt und den Alkohol vom Vorabend ausgeschwitzt haben.
    Tante Muriel und Nana Victoria beschwerten sich beide [244]  bei Grandpa
Harry, Bob als Junker Tobias von Rülp zu besetzen, »animiere« Bob zum Trinken.
Richard Abbott wurde dafür verantwortlich gemacht, Bobs Trinkerei »zu
verharmlosen«, unter der die arme Muriel doch so zu leiden habe. Doch obwohl
Muriel und meine Großmutter bei Grandpa Harry über Richard herzogen, hätten sie
ihm ihre Kritik nie ins Gesicht zu sagen gewagt.
    Schließlich war Richard Abbott »kurz vor Torschluss« (um Nana
Victorias Klischee zu verwenden) aufgetaucht, um meine angeknackste Mutter zu retten; sie sprachen von dieser Rettung, als hätte das kein anderer
leisten können. Nana Victoria und Tante Muriel waren nun nicht mehr für meine
Mutter verantwortlich, weil Richard gekommen war und ihnen diese Last
abgenommen hatte.
    Jedenfalls hatte ich den Eindruck, dass meine Tante und meine
Großmutter das so sahen – Richard konnte nichts falsch machen, oder wenn Nana
Victoria und Tante Muriel glaubten, dass er etwas
falsch gemacht hatte, ließen sie sich bei Grandpa Harry darüber aus, als
erwarteten sie, dass er mit Richard darüber sprach.
Meine Cousine Gerry und ich bekamen alles mit, denn hinter dem Rücken von
Richard und meiner Mutter redeten meine kritische Großmutter und meine
vorwitzige Tante ständig über sie. Sie hätten die beiden wohl am liebsten
(natürlich im Scherz) immer noch »die Frischvermählten« genannt, dabei waren
meine Mom und Richard inzwischen zwanzig Jahre verheiratet! Als ich älter war,
merkte ich, dass alle – nicht nur Nana Victoria und
Tante Muriel, sondern auch Grandpa Harry und Richard Abbott – meine Mutter wie
ein launisches Kind behandelten. (Sie umschlichen sie auf leisen Sohlen, als
sei [245]  sie ein Kind, das man davor bewahren musste, sich zu verletzen.)
    Grandpa Harry kritisierte Richard Abbott nie; möglicherweise sah
Harry in Richard ja ebenfalls den Retter meiner Mom, doch andererseits war
Grandpa Harry klug genug, um zu wissen, dass Richard meine Mutter hauptsächlich
vor Nana Victoria und Tante Muriel gerettet hatte – mehr als vor dem nächsten
Mann, der vielleicht des Weges gekommen wäre und meine leichtverführbare Mom herumgekriegt hätte.
    Doch bei dieser unseligen Produktion von Was ihr
wollt beschlichen selbst Grandpa Harry Zweifel, was die Besetzung
anging. Harry sollte die Rolle von Olivias Kammermädchen Maria spielen. Sowohl
Grandpa Harry als auch ich hatten uns Maria als eine viel jüngere Frau
vorgestellt, allerdings bestand Harrys Hauptproblem mit der Rolle darin, dass
er mit Junker Tobias von Rülp verheiratet sein sollte.
    »Ich fasse es nicht, dass ich meinem viel jüngeren Schwiegersohn
anverlobt werden soll«, bemerkte Grandpa Harry traurig, als ich eines Sonntags
im Winter mit ihm und Nana Victoria zu Abend aß.
    »Denk dran, Grandpa, Was ihr wollt ist
eine Komödie, darauf kannst du einen lassen«, erinnerte ich ihn.
    »Zum Glück

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