In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)
New-Age-Zeitschrift geschenkt und ihm hinten auf dem Gräberfeld der MacDonalds einen Platz angeboten. Und Cam hatte ihr beinahe den Kopf dafür abgerissen.
»Ich stelle mir gern vor, daß Maggie und Ian aufeinander aufpassen«, sinnierte Ellen.
Allie hatte einen Milchkochtopf aus dem Küchenschrank geholt und ließ Mandelöl, Bienenwachs und Wollfett im Wasserbad schmelzen. »Aber wer kümmert sich dann um Jamie?« fragte sie.
»Du natürlich«, bekam sie zur Antwort.
Allie wollte ihre Schwiegermutter nicht darauf ansprechen, wie verstockt Cam sich Jamie MacDonald gegenüber verhielt, deshalb seihte sie den Aufguß ab und goß ihn in den Milchtopf. Schweigend warteten die beiden Frauen, bis das Wasser aufhörte zu sprudeln, dann nahmen sie die Mischung vom Herd und ließen sie abkühlen.
»So.« Allie wischte sich die Hände an der Hose ab. »Schade, daß wir sie nicht ausprobieren können.«
Ellen tunkte einen Finger in die lauwarme Salbe. »Wogegen soll sie noch mal helfen?«
Allie runzelte die Stirn. »Du bist diejenige, die den Kurs in Naturmedizin macht«, meinte sie tadelnd. »Sie soll kleinere Verbrennungen, Sonnenbrand, Ekzeme heilen.« Sie blickte auf ihre Hände. »Aber das haben wir alles nicht.«
Ellen lächelte und drehte ihr den Rücken zu. »Einen Moment«, sagte sie. Sie ging zur Glasschiebetür, durch die man in den Garten kam. Dort knöpfte sie ihren Kaftan auf und zog die Bänder auseinander, bis ihr BH zu sehen war. Sie schlüpfte aus dem Träger, brachte weiche, weiße Haut ans Licht und hielt die Hände gekreuzt vor die Brust. Dann stellte sie sich Ians Gesicht vor. Allie beobachtete, wie sie die Hände senkte, um ihre linke Brust zu entblößen, die jetzt mit einem frischen, schmerzhaften Brandfleck genau über ihrem Herzen gezeichnet war.
Allie schlug die Hand vor den Mund. Ellen langte nach der Ringelblumensalbe, die solche Narben und Verbrennungen heilen sollte, und rieb sie sanft und kreisförmig über die rote Schwellung. »Ah«, sagte sie und lächelte Allie zuliebe. »Viel besser.« Die Röte verblaßte ein wenig, und Ellen bekundete, daß die Salbe das Sengen milderte. Gegen die tieferliegenden brennenden Schmerzen konnte sie allerdings nichts ausrichten; denn jeder Tor wußte, daß weder Ringelblumen noch irgendein anderes, den Menschen bekanntes Heilmittel, die Leiden der Seele zu lindern vermochten.
Cam traf etwas später zur Beerdigung ein, weil Miss Emily Kerr, an ihren besten Tagen achtzig Jahre alt, einen Waffenschein erwerben wollte. »Wieso?« hatte er gefragt – die Standardfrage, bevor die Erlaubnis ausgestellt wurde.
Emily hatte sich zu ihrer vollen Größe von einem Meter fünfundfünfzig aufgebaut. »Natürlich um mich vor Kerlen wie Ihnen zu schützen.«
Mit diesen Worten war sie aus der Polizeistation marschiert. Es war das zweite Mal an diesem Tag, daß jemand einen Waffenschein wollte. Donald Burns wollte eine Waffe, hatte er erklärt, weil er eine Jahreskarte für die Bruins habe und der Boston Garden ein gefährliches Pflaster sei.
Cam wußte es besser. Waffenscheine wurden in Wheelock kaum beantragt. Das plötzliche Interesse war vor allem auf Jamie MacDonalds Ankunft in der Stadt zurückzuführen.
Jamie MacDonald. Bei dem Gedanken flog sein Blick zur Wanduhr. Leise schimpfend zerrte Cam seine Jacke vom Haken und lief hinaus zu seinem Zivilstreifenwagen. Die Beerdigungsfeier hatte vor einer halben Stunde begonnen.
Wie sich herausstellte, war der erste Teil der Feier vorüber. Pater Gillivray hatte die winzige Gruppe bereits an dem klaffenden Schlund des frisch ausgehobenen Grabes auf dem Friedhof von Wheelock versammelt. Zu Cams Überraschung fand er auch ein paar Leute aus dem Ort vor. Allie stand neben Jamie und hielt seinen Arm. Auf seiner anderen Seite befand sich Cams Mutter Ellen.
Sie trug einen ihrer langen lila Kaftane und betastete den Ankh-Anhänger um ihren Hals. Sicher hatte sie geahnt, daß Cam den geweihten Boden betreten würde, den Hut in seinen Händen haltend. Ruckartig hob sie den Kopf, fing seinen Blick auf und starrte ihn in Grund und Boden – so wie damals, als sie die Playboy -Hefte unter seiner Matratze entdeckt hatte.
Auch Mia war gekommen. Sie stand ein wenig abseits von Cams engster Familie, in einen unförmigen schwarzen Jumper gekleidet, der wie eine Kreuzung zwischen Nonnentracht und Pilotenoverall aussah. Ein breitkrempiger schwarzer Hut überdeckte Augen und Nase, aber Cam erkannte sie dennoch.
Er sah auf und
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