In Einer Zaertlichen Winternacht
Möchte er kein Creed werden?«
»Aber
natürlich möchte er das. Er vermisst Joseph und Theresa, das ist alles. Und
deinen Papa und Tom auch«, erwiderte Juliana lächelnd, die sich inzwischen
wieder einigermaßen gefasst hatte.
Gracie
nickte feierlich. »Papa hat gesagt, dass er zurückkommt, und Papa hält immer
sein Wort.«
»Ja. Das
stimmt.«
Am nächsten Tag kam Wes zur Ranch
geritten, um ein Telegramm von Lincoln vorbeizubringen, das er am Morgen aus
Missoula abgeschickt hatte. Tom, Theresa und Joseph saßen im Zug und würden in
einer Woche in North Dakota ankommen.
Um sich zu
beschäftigen, teilte Juliana ihre Zeit zwischen Unterrichtsstunden am
Küchentisch, Besuchen bei Rose-of-Sharon und dem Baby sowie dem Studium eines
alten Kochbuchs auf, das sie in der Speisekammer gefunden hatte.
Lincoln
schickte am nächsten Tag, als er Helena erreicht hatte, ein weiteres Telegramm,
in dem er versprach, bald nach Hause zu kommen.
Entschlossen,
die Zeit sinnvoll zu verbringen, suchte sich Juliana die Zutaten zum Backen
von Maisbrot zusammen, setzte dann allerdings beinahe die Küche in Brand, weil
sie zu viel Holz in den Ofen steckte.
Am dritten
Tag verschlechterte sich das Wetter. Es schneite so heftig, dass Juliana durch
das Küchenfenster nicht einmal bei hellem Tageslicht mehr den Stall sehen konnte.
Lincoln wollte mit dem Zug von Helena nach Missoula fahren, dort seinen Wagen
und die Pferde beim örtlichen Mietstall abholen und dann zurück zur Ranch
fahren. Da sich ein Schneesturm zusammenbraute, machte Juliana sich große
Sorgen.
Er könnte
sich in dem Sturm verirren und erfrieren.
Um sich
abzulenken, beschloss sie, den Christbaum abzuschmücken und die Schachteln
oben im Schrank zu verstauen. Als Ben Gainer am Abend zitternd vor Kälte einen
Eimer Milch vorbeibrachte, bot sie ihm einen heißen Kaffee an.
Nachdem Ben
sich etwas aufgewärmt hatte, schleifte er den großen Weihnachtsbaum vor die
Tür. Später würde er zerhackt und als Feuerholz benutzt werden.
Der Sturm
hielt die ganze Nacht über an, auch am nächsten Morgen fiel der Schnee noch in
wilden Wirbeln vom Himmel. Inzwischen lag er schon so hoch, dass Juliana nur
das Fenster hätte öffnen müssen, um sich eine Handvoll davon zu nehmen.
Ben brachte
wieder Milch und erzählte, dass er und die anderen Arbeiter selbst mit den
großen Zugpferden Schwierigkeiten hatten, das Heu hinaus zu den Rinderherden
zu schaffen.
Eine
einzige Frage brannte Juliana auf der Seele: Wo ist Lincoln?
Sie zwang
sich, ruhig zu bleiben. Wahrscheinlich war er in Missoula geblieben, wo er
darauf wartete, dass der Schneesturm nachließ. Und sicher hatte er ihr auch ein
Telegramm geschickt. Da die Straßen von Stillwater Springs zur Ranch aber nicht
passierbar waren, konnte Wes ihr die Nachricht nicht überbringen.
Ihr blieb
nichts anderes übrig, als zu warten.
Erneut
probierte sie das Maisbrot-Rezept aus, und obwohl es so hart wie ein Pferdehuf
wurde, qualmte diesmal wenigstens nicht der ganze Ofen. In warme Milch
geweicht, war es sogar ganz genießbar.
Am nächsten
Tag spannte Ben Leinen vom Haus zu seiner Hütte und von der Hütte zum Stall.
Nur so war er in der Lage, von einer Stelle zur anderen zu finden, ohne sich in
dem Schneesturm zu verirren. Die Zugpferde kannten zum Glück den Weg zu der
kleinen Baumgruppe, unter der die Rinder Zuflucht gesucht hatten. Sonst hätten
die Tiere hungern müssen.
In der
fünften Nacht saß Juliana noch lange in der Küche, nachdem die Kinder zu Bett
gegangen waren, starrte auf die Uhr und wartete.
Zuerst
glaubte sie, sich das Geräusch an der Hintertür nur einzubilden, doch dann
rüttelte jemand an dem Riegel. Sie sprang hastig auf, rannte quer durch die
Küche und riss die Tür auf.
Der Wind
war so eisig, dass er ihr schmerzhaft in die Knochen fuhr, doch das kümmerte
sie nicht. Lincoln stand auf der Treppe, in Eis und Schnee gehüllt und anscheinend
unfähig, sich zu bewegen.
Juliana
schrie auf, zog ihn herein und wuchtete mit aller Kraft die Tür hinter ihm zu,
indem sie sich mit ihrem ganzen Gewicht dagegendrückte.
»Lincoln?«
Er sagte
nichts und rührte sich auch nicht. Wie hatte er es nur bewerkstelligt, bei
diesem Straßenzustand nach Hause zu kommen? Die Pferde und der Wagen hätten den
Weg niemals geschafft.
Sie musste
den Hut vorsichtig von seinem Kopf lösen, er war festgefroren. Anschließend zog
sie ihm den Mantel aus und schleuderte ihn zur Seite.
Kurz
überlegte sie, ihn zum Ofen zu ziehen, doch
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