In eisige Höhen
Tempo, machten häufig in den Teehäusern am Wegesrand Rast, um etwas zu trinken und mit den Durchreisenden ein paar Worte zu wechseln. Ich fand mich regelmäßig in der Begleitung von Doug Hansen, dem Postler, wieder und von Andy Harris, dem netten, gelassenen Neuseeländer, einer von Rob Halls Bergführern. Andy von Rob und all seinen neuseeländischen Kiwi-Freunden Harold genannt – war ein großer, kräftiger Kerl von der Statur eines Quarterbacks einer Footballmannschaft. Er hatte diese typisch markanten Züge, die Männern eine Rolle in der Zigarettenwerbung einbringen. Während des Winters arbeitete er im Hubschrauber als ein vielgefragter Skiführer. Während der Sommermonate jobbte er für Wissenschaftler, die geologische Studien in der Antarktis durchführten, oder als Bergführer in den neuseeländischen Alpen.
Während wir den Pfad hochwanderten, erzählte mir Andy sehnsuchtsvoll von der Frau, mit der er lebte, einer Ärztin namens Fiona McPherson. Wir ruhten uns eine Weile auf einem Felsblock aus, und er zog ein Foto aus seinem Rucksack, um sie mir zu zeigen. Sie war groß, blond und athletisch gebaut. Andy meinte, daß er und Fiona gerade dabei seien, in den Bergen außerhalb von Queenstown ein Haus zu bauen. Einmal in Fahrt gekommen, schwärmte er mir von dem schlichten Vergnügen, Dachsparren zu sägen und Nägel zu hämmern vor; er gab ganz ehrlich zu, daß er, als Rob ihm den Everest-Job anbot, nicht so recht wußte, ob er nun annehmen oder ablehnen sollte. »Es war schon schwierig, Fi und das Haus zurückzulassen. Wir haben jetzt gerade das Dach fertig, weißt du? Aber wer kann schon ein Angebot ausschlagen, den Everest zu besteigen? Noch dazu, wenn man die Möglichkeit hat, an der Seite von jemandem wie Rob Hall zu arbeiten.«
Obwohl Andy nie zuvor auf dem Everest war, war ihm der Himalaja alles andere als fremd. 1985 hatte er den Chobutse bestiegen, einen anspruchsvollen, 6683 Meter hohen Gipfel, etwa 30 Meilen westlich vom Everest. Und im Herbst 1994 half er Fiona vier Monate lang bei der Leitung eines Krankenhauses in Pheriche, einem gottverlassenen, von stürmischen Winden durchfegten Nest auf über 4000 Meter Meereshöhe. Am 4. und 5. April verbrachten wir dort zwei Nächte.
Die Klinik war von der himalajischen Rettungsorganisation gestiftet worden, in erster Linie um von Höhenluft bedingte Krankheiten zu behandeln (die hiesigen Sherpas können sich jedoch dort ebenfalls unentgeltlich behandeln lassen) und um Trekker über das drohende Risiko, zu schnell zu hoch zu klettern, aufzuklären. Sie wurde 1973 gegründet, kurz nachdem vier Mitglieder einer japanischen Trekker-Gruppe der Höhenluft zum Opfer gefallen waren und ganz in der Nähe den Tod gefunden hatten. Bevor es die Klinik gab, starben von 500 Trekkern, die durch Pheriche zogen, im Durchschnitt ein oder zwei an akuter Höhenkrankheit. Laura Ziemer – eine fröhlich-optimistische amerikanische Anwältin, die zu der Zeit unseres Aufenthalts dort zusammen mit ihrem Ehemann und Arzt Jim Litch und einem weiteren jungen Arzt namens Larry Silver in der vier Zimmer umfassenden Einrichtung arbeitete – betonte, daß diese alarmierende Todesrate nicht etwa durch Bergunglücke nach oben verzerrt worden sei. Die Opfer waren »ganz normale Trekker, die sich nie von den üblichen Wander- und Kletterrouten gewagt haben«.
Jetzt, dank der Aufklärungsseminare und der Notaufnahme, deren Personal aus Freiwilligen besteht, konnte die Todesrate auf weniger als einen Toten auf 30000 Trekker reduziert werden. Obwohl die idealistischen Westler, die wie Ziemer in der Klinik in Pheriche arbeiten, kein Honorar bekommen und sogar die Reisekosten nach Nepal und zurück selbst tragen müssen, ist eine Anstellung dort mit hohem Prestige verbunden. Hochqualifizierte Bewerber aus der ganzen Welt bemühen sich dort um einen Posten. Caroline Mackenzie, Halls Expeditionsärztin, hatte im Herbst 1994 mit Fiona McPherson und Andy an der HRA-Klinik gearbeitet.
1990 – das Jahr, in dem Hall zum ersten Mal den Everest bestieg – wurde die Klinik von Jan Arnold geleitet, einer vielseitigen, selbstbewußten Ärztin aus Neuseeland. Hall, der auf dem Weg zum Everest durch Pheriche kam, lernte sie kennen und verknallte sich sofort. »Ich habe Jan sofort gefragt, ob sie mit mir ausgeht, wenn ich wieder unten bin«, erzählte Hall an unserem ersten Abend in dem Dorf. »Für unser erstes Rendezvous habe ich ihr den Vorschlag gemacht, nach Alaska zu gehen und den Mount
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