Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In eisigen Kerkern (German Edition)

In eisigen Kerkern (German Edition)

Titel: In eisigen Kerkern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
Vom Netzwerk:
der Luft, aber ihr Herz raste. Ihr Magen schrie nach Frühstück. Vielleicht versuchte sie es damit zuerst, bevor sie irgendwelche Gerda- oder Andi-Fragen stellte.
    Eine Frau in den Dreißigern mit kurzen, roten Leggings und geblümtem T-Shirt war im Garten zugange.
    „Guten Morgen“, rief Nelli ihr zu und versuchte ein Lächeln. Ein Blick der Frau, und sie war eingestuft.
    „Sie haben wohl Hunger“, fragte sie ohne Gruß zurück. Es klang nicht abweisend, aber auch nicht nach herzlichem Willkommen. Sie war einfach nur bereit, dem Herrgott ein gutes Werk zu tun an diesem schönen Morgen.
    „Ja, ziemlich“, sagte Nelli nickend und konnte gar nicht anders als demütig-dankbar zu schauen.
    „Einen Moment.“
    Die Frau drehte sich um, ging den Plattenweg durch den Vorgarten zum Haus und verschwand in der Eingangstür. Nelli sah jetzt, womit sie beschäftigt gewesen war. Da stand ein Schild am Zaun mit der Aufschrift „Zimmer“ und darunter ein leeres Feld. Der Wechsel-Schriftzug „frei“ und „belegt“ war herausgezogen.
    „Frei oder belegt?“, fragte Nelli, als die Frau zurückkam. Sie hatte eine Literflasche Milch in der einen und ein kleines, selbstgebackenes Brot in der anderen Hand.
    „Alles frei“, antwortet die Frau und reichte Nelli die Gaben über den Zaun.
    „Herzlichen Dank.“
    „Kommt niemand mehr zu uns.“
    „Aber wieso? Hier ist es doch herrlich zum Urlaubmachen.“
    „Schon. Aber seit das am Gletscher war... Na ja, Sie wissen da ja wahrscheinlich nichts davon.“
    „Doch. Ich frag Sie jetzt was und möchte Sie bitten, mich nicht gleich davonzujagen.“
    Sofort versteifte sich die Frau und ging auf Abstand.
    „Geld gebe ich Ihnen nicht. Und wohnen können Sie auch nicht hier.“
    Nelli schüttelte den Kopf.
    „Das nicht. Was ganz anderes. Wie denken die Leute hier im Dorf über das, was oben am Gletscher passiert ist?“
    „Warum interessiert Sie das?“
    „Einfach so.“
    Die Frau sah Nelli durchdringend an. Vielleicht hatte sie den Artikel der Herolder gelesen und die Bilder betrachtet, aber Nelli stand hier vor ihr ohne Fahrrad und mit verschwollenem Gesicht, nicht mal auf den zweiten Blick als die „Drachentöterin“ zu erkennen, die der Artikel aus ihr gemacht hatte. Wenn nicht gar dieser Artikel die ganze Wut der Leute und die absonderliche Einstellung gegenüber Andi ausgelöst hatte. Die Frau gab ihr Misstrauen auf und schien plötzlich nur allzu bereit, mit allem herauszuplatzen.
    „Die Leut sind stinkwütend, das ist passiert! Der Andi ist schließlich einer von uns. Ein wenig seltsam vielleicht, fühlt sich wohl da oben am Pass ganz allein, aber niemand glaubt, dass er irgend jemandem was getan hat.“
    „Dann ist das alles gar nicht wahr, was in der Zeitung steht?“
    „Nix. Kann vielleicht sein, man hat Tote gefunden. Kommt immer mal vor, dass Touristen abstürzen oder sich verlaufen. Aber des – naa, reine Sensationslust ist des!“
    „Aber es hieß doch, Andi habe einen Stollen ins Eis gebaut und die Toten regelrecht zur Schau gestellt.“
    „So ein Schmarrn! Das hat sich das Luder ausgedacht, diese Landstreicherin, nix für ungut, die sich an ihn rangemacht hat. Die wollt sein Geld, und als er sie rausgschmissen hat...“
    „Aber...“
    „Unsere ganze Gegend ist verrufen durch den Blödsinn. War vorher schon schwierig genug durch den Autobahntunnel, wegen dem alles nur noch vorbeibraust, noch Feriengäste ins Tal zu kriegen, aber jetzt kommt gar niemand mehr, außer oben am Pass die Sensationstouristen.“
    „Der neue Wirt, ist das ein Freund von Andi?“
    „Sein bester Spezl ist das. Ein Glück, dass er den Betrieb übernommen hat.“
    „Aber der erzählt den Touristen doch auch das, was in der Zeitung steht.“
    „Natürlich tut er das. Die Gäste kriegen das erzählt, was sie hören wollen. Wir brauchen jeden, auch wenn er nur einen einzigen Tag bleibt. Von der Landwirtschaft allein kann hier keiner existieren. Der Stani versucht, die Leute dann auch zu uns runter zu vermitteln. Bisher mit keinem großen Erfolg.“
    „Vielleicht wird’s ja noch.“
    Die Frau beachtete sie kaum noch, sie hatte sich in Rage geredet.
    „Eine Schande ist das. Wir müssen Angst um unsere Existenzen haben, aber das Luder kassiert Millionen mit ihren Zeitungs-Horrorgeschichten.“
    Nelli musste schwer an sich halten, sich nicht zu erkennen zu geben und dem verträumten Andi-Idyll vom lieben Jungen nicht die Wahrheit gegenüberzustellen. Von wegen Millionen! Nelli

Weitere Kostenlose Bücher