In ewiger Nacht
runtergehen müssen, und zwar nicht nur zehn Minuten, sondern eine ganze Stunde. Und dann in die Dusche und ins Bett.
Als er die Tür endlich geöffnet hatte, verstummte das Telefon. Die Nummer wurde nicht angezeigt. Solowjow schaltete den Computer ein. Nach einigen Minuten spuckte er die Daten von zwei Dutzend in Moskau registrierten Autobesitzern mit Namen Sazepa aus.
Solowjow starrte auf den Bildschirm. Ihn interessierte nur ein Sazepa: Nikolai, geboren 1946.
Dieser Sazepa war der Ehemann von Signora Soja, der Besitzerin des exklusiven Parfüms. Er fuhr einen dunkelblauen Peugeot-Sportwagen.
Solowjow blätterte in seinem Notizbuch und entdeckte, dass eben dieser Peugeot gegenüber von Shenjas Haus gestanden hatte. Der Fahrer hatte im Wagen gesessen, gerauchtund am Telefon ein gewisses Häschen angeschwindelt, dass er im Büro auf einer Sitzung sei. Dieses Häschen war seine Frau Soja.
Und wenn Shenja zufällig in den Besitz des Parfüms gelangt war? Genau das würde Sazepa natürlich behaupten: »Ich kenne keine Shenja Katschalowa!«
Auf die Frage, warum er ausgerechnet vor deren Haus im Wagen gesessen hatte, würde er antworten: »Zufall. Ich brauchte eine Pause. Ich habe keine Ahnung, wer in diesem hässlichen Plattenbau wohnt.«
Er könnte eine Gegenüberstellung mit Katschalows junger Gattin Marina organisieren, die in ihm bestimmt den Professor für antike Geschichte Nicolo erkennen und sich sehr wundern würde, dass der Italiener akzentfrei Russisch sprach.
Doch was würde das bringen? Ein guter Anwalt würde diese Indizien zerpflücken wie nichts. Im Grunde waren es nicht einmal Indizien.
Also, Nikolai Sazepa. Einundsechzig Jahre alt. Lebt in Moskau. Vorstandschef der Aktiengesellschaft Media-Prim. Ein wohlhabender Mann. Nicht vorbestraft.
Auf der offiziellen Website von Media-Prim und auf einigen internen Seiten des Außenministeriums und der Steuerfahndung fand Solowjow nur karge und absolut sterile Informationen über den Mann. Der einzige dunkle Fleck in Sazepas ansonsten makellosem Lebenslauf war der Zeitraum zwischen 1993 und 1997. In diesen Jahren pflegte er eine enge Beziehung zu einem spektakulär berühmten Oligarchen, der inzwischen auf der Fahndungsliste von FSB und Interpol stand. Aber das hatte nichts mit Shenja Katschalowa zu tun.
Mit seinem Häschen Soja war Sazepa seit dreißig Jahren verheiratet. Sie hatten zwei Söhne und eine Enkelin. Olga ging in ihrem Täterprofil davon aus, dass Moloch allein lebte. Aber sie konnte sich natürlich irren. In Guschtschenkos Täterprofil hieß es, Moloch sei verheiratet, habe Kinder und möglicherweise Enkel.
Aber wenn Sazepa Moloch wäre, hätte er sich kaum am Tag nach dem Mord vor Shenjas Haus blicken lassen – das passte nicht zu seiner sonstigen Vorsicht.
Er wäre auch kaum mit dem Mädchen in einen Nachtklub gegangen, nicht einmal unter falschem Namen.
Das Parfüm, das Geld – das alles sprach für ein relativ dauerhaftes und enges Verhältnis zwischen Sazepa und Shenja.
Dass Sazepa sich mit Shenja getroffen und ihr Geld gegeben hatte, bewies jedoch noch nicht, dass er sie auch getötet haben könnte. Eher im Gegenteil. Er hing auf seine Weise an dem Mädchen – einer der vielen Humbert-Klone. Außerdem gab es in der gesamten Kriminalgeschichte noch keinen Serienmörder, der Millionär war. Und Sazepa war zweifellos Millionär. Er besaß ein Penthouse auf dem Kutusowski-Prospekt, eine Wohnung im Zentrum von Rom und baute gerade ein Haus an der teuren Rubljowka.
Solowjow stand auf und lief im Büro auf und ab. Aus dem Schränkchen am Fenster nahm er eine Büchse löslichen Kaffee, eine große Tasse und einen Tauchsieder.
Der Ex-Diplomat kriegt im Alter einen Rappel und verliebt sich unsterblich in ein minderjähriges Mädchen. Übrigens könnte er sich auch ihr gegenüber als italienischer Professor ausgegeben haben. Eine ausgezeichnete Tarnung. Aber eines Tages findet sie die Wahrheit heraus und fängt an, ihn zu erpressen. Er bekommt einen Schreck und erwürgt sie in Panik.
Aber Moloch plant seine Morde genau, packt vorher seine Ausrüstung ins Auto: Schere, Chirurgenhandschuhe, Babyöl, Taschenlampe oder Nachtsichtgerät. Das passt eher zu dem Sänger Vaselin und seinen sadistischen Songs. Maja glaubt, Vaselin sei der Vater von Shenjas Kind. Von Sazepa weiß sie nichts.
Was mache ich nun mit Ihnen, Herr Sazepa? Einen Bericht an meine Vorgesetzten schreiben? Blödsinn. Mit Leuten wie Ihnen befassen sich meine Vorgesetzten
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