In ewiger Nacht
heiser.
»Sollen wir vielleicht hochgehen und mit dem Mädchen reden?«
»Nein. Noch nicht.«
»Gut, dann warten wir noch. Auf Wiederhören.«
»Moment! Ihr sagt, ihr habt ihn irgendwo in der Nähe des Kulturparks verloren. Wie ist das genau passiert?«
Die Frau holte tief Luft und schwieg. Sazepa tastete nach den Zigaretten auf dem Kaminsims. Seine Hände zitterten.
»Wir haben die Ausgänge bewacht und bis zur Schließung gewartet, aber es kam keiner durch, der auch nur entfernt so aussah wie er.«
»Idioten!«, blaffte Sazepa, unterbrach die Verbindung und wählte eine Nummer.
»Beruhige dich«, sagte eine Männerstimme, »sie haben getan, was sie konnten, er kann nicht weit sein. Wir wissen jetzt, wie er heißt, und observieren eine seiner Adressen. Früher oder später wird er dort auftauchen. Auf jeden Fall haben wir das Mädchen. Wenn sie ausgeschlafen hat, werden wir uns mal mit ihr unterhalten. Sie weiß bestimmt etwas.«
»Hast du die Meldungen über besondere Vorkommnisse im Park überprüft?«, fragte Sazepa.
»Nein. Wieso?«
»Ich weiß nicht. Sicherheitshalber.«
Er hatte gerade sein Handy zugeklappt, als seine Frau in einem durchsichtigen Nachthemd ins Zimmer schaute.
»Kommst du bald, Nikolai?«
»Ja, ja, gleich, Häschen.«
Soja kam majestätisch quer durch das Zimmer auf ihn zu und warf unterwegs einen Blick in den Spiegel. Sie hatte sich das Gesicht gewaschen, das Haar gekämmt und sich sogar parfümiert.
Seit Sazepa Shenja aus Rom ein Flakon mit Sojas Parfüm mitgebracht hatte, machte dieser Duft, der ihm früher gleichgültig gewesen war, ihn ganz verrückt.
Soja umfasste seine Schultern, sah ihm in die Augen, küsste ihn auf die Lippen und flüsterte: »Ich warte auf dich, Nikolai.«
»Ja, ja, gleich. Nur noch ein wichtiger Anruf.«
In Wirklichkeit musste er, bevor er zu ihr unter die Decke schlüpfte, ein chinesisches Präparat schlucken und einen Kognak trinken. Um kein Fiasko zu erleiden. Soja zauste sein Haar und entfernte sich ins Schlafzimmer.
»Pass bloß auf, sonst drehst du noch durch«, murmelte Sazepa, an sein Ebenbild im Spiegel über dem Kamin gewandt. Für ein paar Augenblicke verwandelte der sich plötzlich in eine Leinwand und zeigte nicht das Penthouse-Wohnzimmer, sondern das Schlafzimmer in Tscherjomuschki.
Der alte Signor und die junge Signorina sitzen auf dem zerwühlten Doppelbett. Sie hat die Arme um seinen Hals geschlungen, ihre kastanienbraunen Rastazöpfe zittern. Sie weint. Er schweigt und streichelt mechanisch ihre magere Schulter. Sein Blick gleitet langsam über die Wände.
Sie hat einen Schlüssel zu der Wohnung. Sie kann hundertmal ohne mich hier gewesen sein, mit sonstwem. Im Schlafzimmereine Videokamera mit Einschaltautomatik zu installieren ist nicht weiter schwierig. Herauszufinden, dass ich kein Italiener bin, und meinen richtigen Namen zu ermitteln ist noch einfacher: Anhand meiner Autonummer; außerdem habe ich der Vermieterin in Tscherjomuschki meinen Ausweis gezeigt. Und es gibt genügend Leute, die uns zusammen gesehen haben – Kellner, Verkäufer in Boutiquen. Vielleicht hat sie mich ja auch in den Klub mitgenommen, um die Zahl der Zeugen zu erhöhen, und nicht zufällig plötzlich Russisch mit mir gesprochen. Woher will ich wissen, ob sie nicht meine Taschen durchwühlt und meinen Führerschein und meine Kreditkarten gesehen hat?
»Na, schon gut, Kleines, hör auf zu weinen. Ganz so viel kann ich dir nicht sofort geben. Ich muss nach Rom fliegen und zur Bank gehen. Aber das geht nicht so schnell. Ich habe in Moskau noch sehr viel zu tun. Ist denn schon alles weg, was du von mir bekommen hast?«
»Natürlich.« Sie schluchzte und rieb ihre Stirn an seiner Hand. »Du sagst doch selber, Moskau ist ein teures Pflaster.«
»Gut. Ich gebe dir zweitausend. Die übrigen acht besorge ich später.«
»Wann?«
»Das kann ich nicht genau sagen.«
»Verdammter Geizkragen!«, rief sie auf Russisch, sprang aus dem Bett und rannte ins Bad.
Allein im Schlafzimmer, entdeckte Sazepa mindestens ein halbes Dutzend Stellen, an denen eine Kamera versteckt sein könnte. Später, als das Mädchen schlief, saß er in der Küche, rauchte, blätterte in seinem Notizbuch und überlegte, an wen er sich in dieser delikaten Angelegenheit wenden könnte.
Vor allem wollte er herausfinden, ob dieser Mark tatsächlich existierte, und wenn ja, wie gefährlich er war, wer hinter ihm stand, ob er schon einmal jemanden erpresst hatte, ob er Kunden mit
Weitere Kostenlose Bücher