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In ewiger Nacht

In ewiger Nacht

Titel: In ewiger Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Aufklärer. Er war im feindlichen Hinterland, um ihn herum Faschisten, Unmenschen, die keine Gnade verdienten. Er allein war ein aufrechter, positiver sowjetischer Held.
     
    »Dieser Junge ist tot«, murmelte der Wanderer und blies den Zigarettenrauch zum Fenster hinaus, »den empfindsamen Jungen mit der sensiblen Seele haben die Hominiden vernichtet.«
    Er sah zur Uhr. Dann ließ er den Blick über die Fenster schweifen. Er hatte so geparkt, dass er das Haus des alten Lehrers im Blick hatte. Sobald die Straße still und leer war und das Licht im Fenster im dritten Stock erlosch, konnte er in Ruhe operieren.
     
    Rodezki stand unter der Dusche und vernahm deutlich die hohe, brüchige Stimme der Oberstufenverantwortlichen: »Ich habe immer gewusst, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Diese uneigennützige Liebe zu den Kindern, die Nachhilfestunden zu Hause, seine Art, den Mädchen den Arm um die Schultern zu legen … Widerlich, ein untilgbarer Fleck auf dem Ruf unserer Schule.«
    »Das ist natürlich unser Fehler, unsere Schande. Das wirft einen Schatten auf unser ganzes Kollektiv. Wie konnten wir das zulassen? Warum waren wir so unverzeihlich kurzsichtig?«, fiel die tiefe, harte Stimme der befehlsgewohnten Direktorin ein.
    Rodezki verließ die Dusche, trocknete sich ab, zog seinen warmen alten Bademantel an und wischte den beschlagenen Spiegel ab. Ein verschreckter, müder alter Mann blickte ihm entgegen. Ein guter Name, Respekt, alles, was er sich in seinem langen ehrlichen Leben erarbeitet hatte, bedeutete ihm mehr als das bloße Leben.
    Das Tagebuch lag noch immer im Schreibtisch. Komisch – Shenja hätte doch ihren Onkel bitten können, es mitzunehmen, zumal wenn sie ihm alles erzählt hatte und ihm absolut vertraute. Doch der Onkel hatte das Tagebuch gar nicht erwähnt.
    Rodezki las die eng beschriebenen Seiten noch einmal, hin und wieder zuckte seine Hand mechanisch, um Fehler zu korrigieren.
    Beim erneuten, ruhigen Lesen, ohne Herzklopfen und asthmatisches Keuchen, fiel ihm etwas auf. Das Mädchen erwähnte in ihren Aufzeichnungen alle, die ihr etwas bedeuteten. DenVater, die Mutter, eine gewisse Maja, Ika, Stas und Mark, also den Pornographen Moloch. Den älteren Ausländer Nick, der ihr Geld gab. Aber nicht den älteren Bruder ihrer Mutter. Wenn der Onkel ihr tatsächlich so nahestand, dass sie ihm ihr furchtbares Geheimnis anvertraut hatte, warum tauchte er im Tagebuch nicht auf? Wenn er wirklich erst vor kurzem von einem langjährigen Auslandsaufenthalt zurückgekehrt war – musste das für sie nicht ein besonderes Ereignis gewesen sein?
    Hör auf, du bist voreingenommen, sagte sich der alte Lehrer. Er hielt es einfach für seine Pflicht, dich zu warnen. Er hat mehrmals betont, er hege keine Zweifel an deiner Anständigkeit.
    Er kommt mit seinem Wagen zum Park vor dem Kasino und gibt mir ein verabredetes Hupsignal: zweimal kurz, einmal lang.
    Genau so hatte der Besucher an der Tür geklingelt.
     
    »Hast du ein neues Handy?«, fragte Soja. »Hättest dir ruhig was Anständigeres kaufen können als so ein veraltetes Billigteil.«
    Sazepa lag im breiten Ehebett, eine Brille auf der Nase und ein Buch in der Hand. Soja kam aus der Dusche, im Bademantel und mit cremeglänzendem Gesicht. An ihrem Finger baumelte Sazepas Reservehandy und dudelte leise Vivaldi.
    »Geh endlich ran, Nikolai. Oder soll ich? Es klingelt schon seit zwanzig Minuten.«
    »Nein!«
    Viel zu hastig sprang Sazepa aus dem Bett, viel zu grob entriss er Soja den Apparat. Das Band, das sich Soja um den Finger gewickelt hatte, ließ sich nicht entwirren, er riss daran, und Soja verzog das Gesicht.
    »Spinnst du? Willst du mir den Finger brechen?«
    Sazepa lief ins Wohnzimmer. Der Apparat war verstummt, klingelte aber sofort erneut.
    »Er ist noch nicht aufgetaucht«, verkündete eine Frauenstimme, »aber in der Wohnung ist ein etwa vierzehnjährigesMädchen. Sie ist gerade gekommen, hat einen Schlüssel. Sie wurde mit einem dunkelblauen Mercedes gebracht. Sie ist betrunken oder high.«
    »Wie sieht sie aus?«, flüsterte Sazepa und warf einen raschen Blick zur Tür.
    »Klein und sehr dünn.«
    »Geht’s nicht etwas genauer?« Er schluckte krampfhaft, Schweiß rann ihm von der Schläfe zum Kinn.
    »Was genauer?«
    »Na, über das Mädchen.«
    »Ich sag doch, sie ist klein, dünn und hübsch. Dunkelrote enge Jeans, blaue Jacke. Kurze, rötliche Haare. Was wollen Sie noch wissen?«
    »Nichts weiter. Alles in Ordnung.« Sazepa räusperte sich

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