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In ewiger Nacht

In ewiger Nacht

Titel: In ewiger Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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die Würmer bekommen. Stell dir das bloß mal vor, Ika, du mit deinen schlanken Fingern, deinen Brüsten, deinen Lippen, deinem Hals, wirst einmal unterirdische Geschöpfe nähren. Die haben keinen Sinn für Ästhetik. Ihnen ist ganz egal, wen sie fressen, dich oder eine hässliche Missgeburt. Tja, guten Appetit!«
    Mark redete viel dummes und widerliches Zeug, sie war daran gewöhnt, versetzte ihm einen Nasenstüber, war eine Zeitlang sauer und vergaß es rasch wieder. Aber das mit den Würmern hatte sie behalten.
    »Dieser Mistkerl, ich hasse ihn!«, murmelte Ika und putzte sich die Zähne.
    Am Festnetztelefon sprang der Anrufbeantworter an. EineFrauenstimme sprach etwas drauf. Dann wurde es still. Die Telefone blieben stumm, ruhten sich fünf Minuten lang aus, um dann erneut unisono loszuklingeln.
    Ika drückte sich durchsichtiges grünes Shampoo auf die Hand.
    Nun kam das Unangenehmste – das Rasieren der Achselhöhlen. Ika hob einen Arm und betrachtete die goldblonden Stacheln.
    Blut tropfte durch den Schaum. Sie hatte sich geschnitten, weil das ständige Telefonklingeln sie nervös machte, und ihre Hände zitterten.
    Wäre Mark zu Hause gewesen, hätte sie ihn rufen können, damit er pustete. Er hätte gepustet und sie dann geküsst, überall. Er mochte es, wenn sie nass und erhitzt aus der Dusche kam.
    Ika wischte den beschlagenen Spiegel ab. Ein gleichmäßiges Gesicht mit hohen Wangenknochen. Runde grüne Augen, großer, voller Mund und kleine Nase. Ohne Make-up sah sie aus wie vierzehn. In Wirklichkeit war sie zweiundzwanzig.
    »Mark, du Schwein, ich hasse dich, eines Tages bringe ich dich um!«
    Zu den drei verschiedenen Klingeltönen der Telefone gesellte sich ein vierter – die Türklingel. Ika warf sich einen Bademantel über und eilte barfuß in den Flur.
    »Nicht genug, dass er für drei Tage verschwindet und mich hier allein lässt, nein, er vergisst auch noch den Schlüssel, der Mistkerl, und taucht ausgerechnet dann wieder auf, wenn ich im Bad bin! Na warte, du kannst was erleben!«
    Ohne vorher durch den Spion zu blicken, riss sie die Tür auf.
    Draußen stand eine Unbekannte um die dreißig, eine große falsche Blondine in Jeans und einer so grellrosa Jacke, dass Ika die Auge wehtaten. Die Frau hatte offensichtlich nicht damit gerechnet, dass man ihr ohne irgendwelche Fragen sofort die Tür öffnen würde, und starrte Ika erstaunt an.
    »Ist kein Erwachsener zu Hause?«
    »Was wollen Sie denn?«
    »Ich komme von der Wohnungsverwaltung. Die Nachbarn unter euch haben sich beschwert, Kleine. Von euch läuft Wasser durch.«
    Die Augen der Blondine huschten rasch und gierig durch den kleinen Flur.
    »Wasser?! Von uns? Blödsinn!« Ika zog den Gürtel des Bademantels fester zu und hob hochmütig das Kinn.
    »Ich frage noch mal, ist kein Erwachsener zu Hause?« Die Frau tat einen Schritt in den Flur.
    Sie war weit kaltblütiger, als es auf den ersten Blick schien. Geschickt drängte sie Ika beiseite, verschwand durch den Bambusvorhang, der die Tür zwischen dem Flur und dem einzigen Zimmer ersetzte, und stand im nächsten Augenblick mitten im Raum, die stämmigen langen Beine in den engen Jeans und den rosa Lackstiefeletten gespreizt.
    »Hören Sie, ich habe Sie nicht eingeladen.« Ika lief ins Zimmer, stellte sich dicht vor sie und starrte in die kleinen hellbraunen Augen. »Wenn von uns angeblich Wasser durchläuft, sehen Sie im Bad nach. Was wollen Sie hier im Zimmer?«
    »Ich brauche auch keine Einladung«, sagte die Frau, »ich bin geschäftlich hier.«
    Sie war einen Kopf größer als Ika und wog doppelt so viel. Sie ignorierte Ika. In aller Ruhe betrachtete sie das Doppelbett, die zerknautschte Bettwäsche. Auf dem Kopfkissen lag ein altes T-Shirt von Ika, auf dem Boden Marks Bademantel. Der Blick der Frau glitt über die Regale voller Videokassetten und DVDs, dann zum Computertisch. Auf dem Drucker standen ein Spiegel und ein Flakon Kölnischwasser, auf dem ausgefahrenen CD-Laufwerk eine benutzte Kaffeetasse.
    »Also, jetzt will ich Ihren Ausweis sehen!«, sagte Ika drohend.
    »Vergiss es«, erwiderte die Frau trocken. »Wo sind die Erwachsenen?«
    Ika kam nicht zum Antworten. Die Telefone klingelten, wieder alle auf einmal, und die Wohnungstür klappte leise. Ika zuckte zusammen, und ihr Mund wurde trocken. Ihr schien, dass jemand hereingekommen war.
    »Ich rufe gleich die Miliz, Sie!«, überschrie Ika die Telefone. Hinter dem Bambusvorhang bewegte sich lautlos ein riesiger schwarzer

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