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In ewiger Nacht

In ewiger Nacht

Titel: In ewiger Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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reden wir noch. Erkundige dich mal, ob der Lehrer ein Auto hat.«
    »Habe ich bereits. Einen Shiguli. Führerschein seit dreißig Jahren.«

Siebenundzwanzigstes Kapitel
    »Du hast alles richtig gemacht«, wiederholte die vertraute Stimme, damals wie heute, du hast alles ausgezeichnet geplant, du hast einen Hominiden für dein heiliges Ziel benutzt. Die Ermittler werden sehr bald auf ihn stoßen. Er wird große Schwierigkeiten haben, zu beweisen, dass er nichts damit zu tun hat. Aber das ist nicht genug. Die Zeit läuft, du musst handeln. Die Wandlingsfrau. Sie ist jetzt dein Hauptfeind. Deine achtzehn Monate Passivität sind ihre Schuld. Sie hätte beinahe dein Geheimnis erraten. Sie wird keine Ruhe geben. Wenn du sie nicht tötest, wirst du sterben.«
    Er musste sich ein paar Stunden am Vormittag frei machen, um den Ort zu sondieren.
    Am Haus des Wandlings war der Wanderer schon gewesen, er kannte die Höfe. Um nicht erkannt zu werden,musste er sein Äußeres verändern, und zwar so, dass er hinterher im Auto rasch wieder in seine normale Gestalt des soliden, saturierten Hominiden schlüpfen konnte.
    Die Haut unter der Nase und auf Wangen und Kinn war noch immer leicht gereizt, darum verzichtete er auf einen künstlichen Bart. Um die Augen zu maskieren, malte er sich braune Schatten und schwere Tränensäcke und klebte sich buschige schwarze Brauen an. Er tönte sein Gesicht mit dunklem Make-up, hellte die Lippen auf und machte sie ganz schmal und bläulich. Er setzte eine Perücke mit schulterlangem strähnigem grauem Haar auf und stülpte eine alte Baumwollmütze darüber. Die Trainingshose mit den ausgebeulten Knien zog er über seine Hose. Die drei Nummern zu große gefleckte Tarnjacke verbarg das teure Jackett. Um Hals und Kinn wickelte er einen billigen grauen Wollschal.
    Er betrachtete sich im Spiegel. Machte den Rücken krumm, zog den Kopf zwischen die Schultern und beugte die Knie leicht. Das Ganze wirkte ziemlich echt, er war wirklich nicht zu erkennen. Er steckte eine Flasche mit Make-up-Entferner, eine Packung Wattebällchen und einen Spiegel in eine Plastiktüte.
    Bevor der Wanderer zu seinem Auto ging, wartete er eine Weile und blickte sich um, ob niemand in der Nähe war. Womöglich beobachtete jemand, wie ein heruntergekommener Trinker in einen teuren Wagen stieg, und alarmierte die Miliz, weil er einen Diebstahl vermutete?
    Zwanzig Minuten später parkte er wohlbehalten drei Häuserblocks entfernt von dem Hof, in dem die Wandlingsfrau wohnte.
    Bei der Besichtigung des Hofs oder besser der Reihe von Durchgangshöfen skizzierte er im Kopf sofort mehrere Vorgehensweisen. Der schmale Spalt zwischen den Häusern, der gestern eine Falle für ihn gewesen war, konnte als Beobachtungspunkt dienen. Dort konnte er sich verstecken, das Nachtsichtgerät aufsetzen, warten, bis die Wandlingsfrau denHof durchquerte, und sie überfallen. Er wusste, dass sie manchmal erst nach Mitternacht nach Hause kam.
    Aber die Sache war riskant. Die Wandlingsfrau würde sich wehren. Außerdem agierte der Wanderer nie an Orten, an denen zufällige Zeugen auftauchen konnten.
    Eine andere Variante war der Hauseingang. Den Türcode herauszufinden war kein Problem. Er konnte auf einem Treppenabsatz am Fenster warten. Von dort hatte er einen guten Überblick über den Hof und sah jeden kommen. Aber er musste sie so rasch töten, dass sie nicht mehr schreien konnte.
    Ein blitzartiger Überfall und ein Messerstich ins Herz.
    Doch der Wandling besaß eine enorme innere Energie. Um eine vollwertige Dosis Bioplasmid zu bekommen, brauchte der Wanderer den engen emotionalen Kontakt, den Wechsel von Vertrauen zu Erstaunen und von Erstaunen zum Schreck. Das Opfer musste sich bewusst sein, dass es sich in der Gewalt des Wanderers befand, musste seine eigene Nichtigkeit und die Allmacht des Wanderers spüren. Dann öffneten sich unsichtbare Ventile, das Bioplasmid strömte aus, das Opfer verlor rasch an Kraft. Die Kerkerwände stürzten ein, der Engel breitete die Flügel aus.
    Und dann die Agonie, der enge physische Kontakt. Er musste das Gesicht des Opfers sehen, seine Augen. Ein gewaltiger Ausstoß an Bioplasmid. Der Engel drängte in die Freiheit und flog nach Hause, in den Himmel.
    Der Wanderer setzte sich auf eine kaputte Bank im Hof vor dem Haus der Wandlingsfrau und zündete sich eine Zigarette an. Mechanisch stellte er fest, dass die Zigaretten und das Feuerzeug nicht zu seiner Tarnung passten. Aber er konnte nichts Billiges rauchen,

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