In ewiger Nacht
werden mit dem Auto gebracht und wieder abgeholt. Zwei Stunden mit diesen Kleinen kosten fünfhundert Dollar. Dabei habe ich sie noch runtergehandelt, eigentlich sind’s siebenhundert. Davon kriegen die Ärmsten nur fünfzig pro Kunde. Und sie sind total unfähig. Ich hab sie übrigens gefilmt. Willst du mal sehen?«
Dafür kassierte er von ihr zum zweiten Mal eine Ohrfeige.
»He, he, was regst du dich so auf, dumme Gans? Ich hab die beiden nicht angerührt. Ich habe sie nur gebeten, mir zu zeigen, wie Mädchen lieb miteinander sind, und sie dabei gefilmt. Ich muss mich schließlich um neues Personal kümmern, denn du bist alt, Shenja zickt rum und drückt sich dauernd, und Stas hat neulich sogar einen splitternackten Kunden sitzengelassen. Ich hab euch Schmarotzer zu sehr verwöhnt.«
»Du hast sie wirklich nicht angerührt, nein?«, fragte Ika weinend.
»Was soll das, eifersüchtig?« Er lachte.
»Quatsch, Eifersucht! Von mir aus kannst du ficken, wen du willst. Aber die Kinder tun mir leid. Sie sind noch so klein.«
»Weißt du, wie die Firma heißt, die sie geschickt hat? Vergissmeinnicht. Eine Kindermodelagentur. Nicht aus Moskau, nein, aus der altehrwürdigen Stadt Kirjajewsk an der Wolga. Alle Schulmädchen in Kirjajewsk möchten Topmodels werden, und ihre Eltern wollen das auch. Sie zahlen für Provinzverhältnisse einen Haufen Geld, hundert Dollar im Monat, damit ihre lieben Kinderchen lernen, die Hemmungen abzulegen. Hin und wieder werden sie nach Moskau gebracht, angeblich zu Kindermodenschauen und Fotoshootings für Hochglanzmagazine. Mit ehrlich erarbeitetem Geldkommen sie dann wieder nach Hause. Und alle sind zufrieden – die Kinder, die Eltern, die Zuhälter und die Kunden.«
»Sie werden dich einsperren«, flüsterte Ika, »und zwar zu Recht.«
»Dich aber auch«, sagte Mark spöttisch, »wir beide sind Partner. Du bist genauso mit im Geschäft. Das übrigens nicht das schmutzigste ist. Wir handeln nicht mit Drogen und Waffen, wir rauben niemanden aus und töten nicht. Wir machen schöne Filme. Was ist denn daran schlecht?«
Das war eine seiner ständigen Floskeln: Was ist denn daran schlecht?
»Du verschaffst einfach einem Menschen Vergnügen. Was ist denn daran schlecht?«, hatte er gesagt, als er mit ihr in das Restaurant ging, in dem sie sich mit dem kleinen Glatzkopf Garik trafen.
Von dort fuhren sie nicht nach Hause, sondern zu Garik. Er besaß eine luxuriöse Wohnung, die Ika an die ihrer Kindheit erinnerte. Ähnliche auf antik getrimmte Möbel, Sofas und Sessel mit weichem Lederbezug, Schiebetüren. Sie saßen eine Weile zu dritt in dem gemütlichen Wohnzimmer, dann brach Mark auf. Ika begriff nicht gleich, dass sie dableiben sollte, und rannte ihm nach in den Flur.
»Ich schulde Garik tausend Dollar«, sagte er.
»Die zahlst du ihm zurück, wenn der Roman erscheint!«, flüsterte Ika, die Arme um seinen Hals geschlungen. »Bitte nicht, Mark, bitte, ich will nicht mit ihm, ich liebe dich sehr, lass mich nicht hier!«
»Hör auf zu jammern«, sagte er und löste sich von ihr.
Wo sollte sie hin? Zurück nach Bykowo, zur Tante? Nein, lieber sterben als das. Außerdem konnte sie sich ein Leben ohne Mark nicht mehr vorstellen. Sie hatte ihm all ihre in den Jahren seit dem Tod ihrer Eltern angestaute Liebe geschenkt, dem erstbesten Mistkerl, der ihr über den Weg gelaufen war. Egal, was er tat – sie fand für alles eine Rechtfertigung, sie war ihm absolut hörig.
Den Roman über die Klone wollte lange niemand drucken. Mark erklärte ihr nicht, warum, er sagte nur, die Verleger seien Schwachköpfe und hätten keinen Schimmer von echter Literatur. Endlich erschien das Buch in einem kleinen Verlag, doch es wurden nur wenige Exemplare verkauft.
Eine Zeitlang lief Mark wütend und finster herum. Ika musste ständig nackt vor der Kamera posieren. Er veröffentlichte auf seiner Website Geschichten und dazu Fotos von ihr. Er verkaufte Ika, und davon lebten sie.
Stas und Jegorka brachte Mark mit. Die beiden hatten auf einem Hof Fußball gespielt, und er hatte sie angesprochen, ihnen erzählt, sie könnten bei ihm Geld verdienen. Sie waren ohne weiteres mitgekommen in sein Studio. Mark redete ihnen ein, das alles wäre nur ein Spaß, sie sollten tanzen lernen und die Hemmungen ablegen. Es war sogar ganz lustig. Die Junge zogen sich aus, bewarfen sich dabei mit ihrer Kleidung und mit Kissen und lachten viel.
Shenja war Ikas Entdeckung. Sie hatte sie bei einem ihrer sporadischen Besuche
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