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In ewiger Nacht

In ewiger Nacht

Titel: In ewiger Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Er legte gleich ein zügiges Tempo vor und fragte: »Wollen wir einen Verbrecher fangen?«
    »Wir versuchen es.«
    Nach wenigen Minuten erreichte der Wolga die Begowaja und stand am Ende eines Staus.
    »Ende der Fahnenstange«, sagte der Fahrer. »Da vorn hat’s anscheinend einen Unfall gegeben.«
    Tja, das war’s wohl, dachte Anton betrübt, öffnete die Tür,stieg aus, warf einen Blick auf die dichte Autoschlange und stieg wieder ein.
    »Prima, Alter!«, sagte er. »Die sitzen auch fest. Ein grauer Volvo mit zwei Antennen.«
    Der Alte öffnete das Fenster, lehnte den ganzen Oberkörper hinaus, drehte sich dann zu Anton um und verkündete fröhlich: »Ja, ich sehe deinen Volvo. Aber was ist eigentlich los, wenn man fragen darf?«
    »Sie haben ein Mädchen entführt, eine Zeugin. Direkt vor meiner Nase.«
    »Interessant. Und wer sind die?«
    »Keine Ahnung.«
    »Warum hast du das nicht an die zuständigen Stellen gemeldet, damit die sie anhalten?«
    »Das habe ich. Aber die Verkehrswacht hat nicht die angehalten, sondern mich.«
    »Ganz im Geist der neuen Zeit! Haben die dein Mädchen gewaltsam entführt?«
    »Sieht so aus«, seufzte Anton.
    Der Alte schwieg, überlegte, dann sah er Anton an und sagte empört: »He, was sitzt du noch hier rum und jammerst? Los, geh und hol dir das Mädchen!«
    »Wie denn?«
    »Ganz einfach! Der Schlamassel hier dauert garantiert zwanzig Minuten. Du gehst hin, klopfst an die Scheibe und zeigst deinen Ausweis. Da sind überall Leute, da können die gar nichts tun. Na los, geh schon! Bist du Milizionär oder ein Weichei?«
     
    »Kirill, Sie wissen natürlich bereits, dass Moloch ein weiteres Mädchen getötet hat. Das vierte. Oder nein, das fünfte.«
    »Wie kommst du auf fünf?«
    »Das erste hat er vor langer Zeit getötet, als er noch ganz jung war. Aber vielleicht ist es auch das zehnte Opfer, wenn man die Kinder aus dem Heim in Dawydowo mitrechnet.«
    »Olga« – der Professor schüttelte missbilligend den Kopf–, »du machst mir Angst. Du hast dich total in ihn verbohrt.«
    »Sie etwa nicht?«, fragte sie ganz leise.
    »Ich?« Er seufzte und lächelte traurig. »Ja, ich wahrscheinlich auch. Ich war gestern auf einer Sitzung beim stellvertretenden Minister, es ging um diesen Mordfall. Da habe ich übrigens deinen Solowjow getroffen, wir haben anschließend in der Kantine zusammengesessen und ein bisschen geplaudert. Er ist als Einziger der Ansicht, dass dieser Mord zu der Serie von damals gehört.«
    »Als Einziger? Und die anderen?«
    »Na ja, weißt du, es gibt wirklich zu viele Unterschiede.«
    »Wieso denn, was für Unterschiede? Es ist dieselbe Handschrift!« Olga registrierte, dass sie die Stimme gehoben hatte. »Dieselbe Serie! Sie dauert schon mehrere Jahre. Das ist nicht die erste und nicht die vierte Leiche, sondern die zehnte! Wenn man den unglücklichen Pjanych mitrechnet, sogar die elfte.«
    Guschtschenko tätschelte ihr beschwichtigend die Hand.
    »Na, na, reg dich nicht so auf. Pjanych hat er bestimmt nicht umgebracht. Ich sehe, du bist bereit, dich in die Ermittlungen einzuschalten. Hab ich recht?«
    Sie nickte und versuchte zu lächeln.
    »Ehrlich gesagt, auch mir lässt die alte Geschichte mit den blinden Waisen in letzter Zeit keine Ruhe. Damals war ich mir sicher, aber jetzt habe ich meine Zweifel.«
    »Dass Pjanych der Täter war?«
    Er nickte.
    »Den armen Sportlehrer kann ich nicht wieder lebendig machen. Aber weißt du, in meinem Alter muss man allmählich an seine Seele denken. Wenn ich mich damals doch geirrt habe, muss ich diesen Fehler wiedergutmachen und den Mann wenigstens postum freisprechen.«
    »Meinen Sie das ernst?« Olga starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
    »Ernster geht’s nicht.« Er seufzte schwer. »Die Sache quält mich, Olga, sie quält mich sehr.«
    »Und was haben Sie vor? Sie wissen doch, die Akten sind aus den Archiven verschwunden, niemand will das noch einmal aufwühlen. Die Sache ist fast zehn Jahre her.«
    Er sah sie an und kniff listig die Augen zusammen.
    »Mit der Hilfe offizieller Instanzen rechne ich auch gar nicht. Ich weiß sehr gut, dass ich weder bei der Miliz noch bei der Staatsanwaltschaft auf Verständnis hoffen kann, sie würden mich auslachen und sagen, der Professor spinnt auf seine alten Tage. Wenn ich auf irgendjemanden zähle, dann nur auf dich, mein Herz.« Er streichelte ihre Schulter. »Du bist schließlich die Beste aus meinem Stall. Denk an die wunderbaren Worte: Lehrer, zieh dir einen Schüler

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