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In ewiger Nacht

In ewiger Nacht

Titel: In ewiger Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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ein Mensch das sein würde.
    Nur eines wusste Ika genau. Die vierte, neue Ika würde keine Pornofilme drehen und nicht für Geld mit perversen alten Männern schlafen.
    Plötzlich sagte eine junge Männerstimme: »In Ihrem Auto sitzt eine Zeugin, Irina Drosdowa.«
    Ika öffnete die Augen und erblickte den Rothaarigen. Er stand am halboffenen Beifahrerfenster, neben Matwej, und hielt einen Ausweis in der Hand.
    »Ich verstehe nicht – was ist los?«, fragte Matwej ärgerlich.
    »Matwej Groschew?«
    »Woher wissen Sie meinen Namen?«
    Der Rothaarige ignorierte die Frage und wiederholte: »In Ihrem Wagen sitzt Irina Drosdowa. Lassen Sie sie bitte aussteigen.«
    »Aus welchem Grund?« Matwejs Stimme klang unheilvoll. Scheinbar ganz ruhig, aber irgendwie zu ruhig und langsam. Er streckte die Hand aus und griff nach dem Ausweis des Rothaarigen.
    »Sie ist Zeugin in einem Mordfall.«
    »Hören Sie, Oberleutnant, wissen Sie überhaupt, was Sie tun? Ich bin Sekretär eines Duma-Abgeordneten, ich genieße Immunität. Dafür werden Sie sich verantworten.«
    »Sie können doch im Auto bleiben. Aber lassen Sie die Zeugin aussteigen.«
    »Schicken Sie ihr eine Vorladung«, meldete sich Toma, »Sie haben nicht das Recht, sie auf der Stelle mitzunehmen!«
    »Paragraph 294, Behinderung der Ermittlungen in einer Strafsache, Freiheitsentzug bis zu zwei Jahren«, verkündete der Rothaarige ungerührt. »Genießen Sie auch Immunität, Bürgerin?«
    Matwej gab ihm den Ausweis zurück. Ika bemerkte, dass ein Geldschein darin steckte, hundert Dollar.
    Er wird es einstecken und verschwinden, dachte Ika erschrocken und schrie aus vollem Hals: »N-nehmen Sie mich mit! B-bitte! Die b-bringen mich um!«
    Sie schrie so laut, dass sie auch in den beiden Autos daneben gehört wurde. Ein junges Mädchen sprang aus einem Toyota und fragte den Rothaarigen: »Brauchen Sie Hilfe?«
    »Danke. Stehen Sie als Zeugin zur Verfügung?«
    Das Mädchen nickte. »Gern.«
    »Dieser Herr hier, Matwej Groschew, hat soeben versucht, eine Amtsperson im Dienst zu bestechen.« Der Rothaarige schlug den Ausweis auf und zeigte dem jungen Mädchen den Geldschein.
    »Dann eben nicht, Leutnant, wie du willst.« Matwej ließ die Scheibe ganz herunter, streckte die Hand aus, griff rasch nach dem Hunderter und steckte ihn ein.
    »Irina Drosdowa hat soeben erklärt, dass sie nicht im Wagen bleiben möchte und um ihr Leben fürchtet«, fuhr der Rothaarige mit spöttischer Gelassenheit fort. »Das wäre dann also Paragraph 126, Herr Groschew, Entführung. Da hilft auch keine Immunität. Aber vielleicht ist eine kleine Erläuterung zu diesem Paragraphen hilfreich. Wer einen Entführten freiwillig freilässt, entgeht der strafrechtlichen Verantwortung, wenn seine Handlungen nicht den Tatbestand eines Verbrechens erfüllen.«
    »He, kennst du etwa das ganze Gesetzbuch auswendig?«, fragte das junge Mädchen kichernd.
    »Klar.« Der Rothaarige nickte, schaute Ika durch die Scheibe an und zwinkerte ihr zu.
    Der Stau kam allmählich in Bewegung. Das vorderste Auto rollte langam los, und Wowa, der am Steuer saß, schien zu erwachen. Auch der Volvo fuhr an.
    »L-lassen Sie mich raus!«, rief Ika und hämmerte mit der Faust gegen die Scheibe.
    Der Rothaarige rannte vor, stellte sich vor den Volvo, verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte, als posiere er vor der Kamera.
    »Was soll’s, lass sie laufen!«, zischte Matwej.
    Der Fahrer löste die Türsicherung, und Ika stieg aus. Der Rothaarige nahm sie fest an der Hand, und sie liefen, zwischen den Autos lavierend, zurück zu dem alten Wolga.

Einunddreißigstes Kapitel
    Nach dem Gespräch mit dem Professor wankte Mark auf unsicheren Beinen in sein Zimmer und sank ins Bett. Er hatte Kopfschmerzen. Das Schlimmste war, dass er sich nicht erinnerte, worüber sie gesprochen hatten. Die Stimme des Professors dröhnte monoton in seinen Ohren, als zerteile eine elektrische Säge langsam seinen Schädel.
    »Er hat mich hypnotisiert!« Mark verzog gequält das Gesicht. »Ich kann ihm sonst was erzählt haben!«
    Es gab nur eine Möglichkeit, etwas herauszufinden – er musste mit der Frau Doktor sprechen.
    Gegen Schwindel und Schwäche ankämpfend, stand er auf, schlurfte in den Flur und ließ sich auf den erstbesten Hocker sinken, neben dem Neuen, der ihn in der Nacht mit der Gasattacke belästigt hatte. Der Neue verschlang gierig ein Brötchen. Krümel blieben an seinem Kinn hängen und fielen auf seine gewaltigen, von Trainingshosen

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