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In ewiger Nacht

In ewiger Nacht

Titel: In ewiger Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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ist zur Zeit nicht erreichbar.« Solowjow schickte eine SMS: »Du hast recht. Er ist es, M. M. Isoliere ihn. Sei vorsichtig. Ich komme bald.«
    Dann suchte er in seinem Notizbuch nach der Nummer des Arztzimmers und erfuhr, dass Olga gerade in der Notaufnahme sei und einen neuen Patienten untersuche.
    »Richten Sie ihr bitte aus, dass Solowjow angerufen hat. Und sie möchte bitte ihr Handy einschalten.«
    Alles sinnlos; sie sind hier, also sind sie auch dort schon gewesen, dachte Solowjow. Nein – wenn etwas passiert wäre, hätte sie mich angerufen. Aber sie ist ja in der Notaufnahme, und die ist in einem anderen Gebäude.
    Die Tür ging auf. Der Hamsterbäckige reichte Solowjow eine DVD.
    »Bitte. Da ist der Mann mit dem geschminktem Gesicht drauf und das Mädchen. Shenja Katschalowa, nicht? Ein widerlicher Anblick.«
     
    Olga rannte durch den Klinikpark zu ihrer Station, ohne Patienten, Ärzte und Besucher zu beachten; jemand rief sie an, sie antwortete nicht, winkte nur ab, prallte gegen einen untersetzten Blonden in schwarzer Jacke und wäre beinahe gestürzt. Der Blonde fing sie ab und entschuldigte sich.
    Zwei ältere Frauen mit schweren Taschen gingen die Treppe hinauf. Olga rannte an ihnen vorbei.
    »Olga! Warten Sie! Kann ich Sie kurz sprechen?«
    »Später, später. Ich habe es eilig!«
    Im Stationsvorraum saß Sina. An ihrem ruhigen Lächeln erkannte Olga, dass vorerst nichts Schlimmes passiert war.
    »Mein Gott, Sie rennen, als würde es brennen«, sagte Sina und schüttelte den Kopf. »Setzen Sie sich, verschnaufen Sie erst mal. Es ist alles in Ordnung. Ist es wahr, dass ein Schauspieler mit Alkoholdelirium eingeliefert wurde? Wie heißt er doch gleich? Dieser Komische, mit der Stupsnase?« Sie schnippte mit den Fingern, um sich an den Namen zu erinnern.
    »Ist wirklich alles in Ordnung?«, fragte Olga.
    »Wirklich. Jede Menge Besucher, es kommen immer mehr, ich bin schon ganz erschöpft vom Rein- und Rauslassen. Da, was sage ich? Es klingelt schon wieder!« Sina stand auf und öffnete die Tür.
    Die beiden Frauen mit den Taschen, die Olga auf der Treppe überholt hatte, kamen herein.
    »Olga, wann kann ich Sie mal sprechen?«
    »Später. Entschuldigen Sie mich.«
    Im Flur ging nichts Besonderes vor. Die Patienten saßen auf Hockern. Aus der offenen Tür des Speisesaals drang gleichmäßiges leises Stimmengesumm. Mark war nirgends zu entdecken. Olga ging in sein Zimmer – sein Bett war leer. Sie sah Slawa aus dem Behandlungsraum kommen und fiel über ihn her.
    »Aber nein, das habe ich mir nicht ausgedacht. Es hat wirklich jemand angerufen, ein Mann, er hat gesagt, ich soll Sie suchen und in die Aufnahme schicken. Das habe ich ausgerichtet.«
    »Wo ist der Patient?«, fragte Olga, bemüht, das plötzlich einsetzende unmotivierte Zittern zu unterdrücken.
    »Welcher? Der Karussellfahrer, ja? Ach, den hab ich ganz vergessen!« Slawa schlug sich auf die Stirn. »Ich hab ihn hierhergesetzt, und dann wurde ich abgelenkt. Keine Ahnung, wo er hin ist.«
    Olga rannte den Flur entlang, Slawa hinterher. Sie erreichten die Ecke, wo die Patienten abends fernsahen, und erstarrten.
    Auf einer Bank saß der Karussellfahrer, auf die Seite geneigt. Glasige Augen, offener Mund. Links auf seiner Pyjamajacke war ein kleiner dunkler Fleck.
    Zwischen zwei vergitterten Fenstern stand, dicht an die Wand gepresst, sein Namensvetter, der achtzehnjährige Mark, der kleine Marik, der Junge, dem Drogen und die Songs von Vaselin den Verstand getrübt hatten. Er hielt eine Pistole in der Hand. Die Mündung mit dem aufgeschraubten Schalldämpfer bebte dicht an seiner Schläfe.
    Olga wagte nicht, sich umzudrehen und Slawa zu sagen, er solle die Patienten aus dem Flur schaffen und die Miliz rufen. Sie fürchtete, den Blickkontakt zu dem Jungen zu verlieren. Außerdem fiel ihr ein, dass die beiden Frauen mit den schweren Taschen Mariks Mutter und seine Tante waren. Sie mussten in ein paar Minuten hier sein. Dann hatte sie keine Chance mehr. Der Junge schoss nur deshalb noch nicht, weil er auf Zeugen wartete.
    »Ganz ruhig, Junge, ich bin bei dir. Gib mir das hässliche Ding.«
    »Ich bin müde. Ich will nicht mehr leben«, sagte er und schluchzte auf.
    »Aber Marik, natürlich willst du leben. Du bist weg von der Nadel. Das hast du geschafft, Marik. Du bist wieder gesund. Gib mir das Ding, bitte.«
    Sie sagte absichtlich nicht »Pistole«. Das klang zu schön, zu gewichtig.
    »Ich will sterben«, sagte Marik langsam.
    »Warum?«
    »Ich

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