In ewiger Nacht
müssen, nicht jetzt erst.
Natürlich hatte keiner Lust auf eine Serie. Das hätte nämlich die Gründung einer Sonderkommission verlangt, gewaltige Informationsmengen müssten verarbeitet und spezielle Karteien angelegt werden. Das bedeutete Dutzende Einsatzkräfte, Experten, Kriminalisten und Staatsanwälte.
Solowjow hielt sein Telefon in der Hand und blätterte mechanisch das eingespeicherte Telefonbuch durch. Sein Blick blieb auf der Nummer von Anton Gorbunow haften, seinem fähigsten und zuverlässigsten Mitarbeiter.
»Hör mal, Anton, wo bekommt man schwarzgebrannte CDs mit Kundendaten verschiedener Telefongesellschaften?«, fragte Solowjow leise, die Hand um den Hörer gelegt.
»Praktisch auf jedem Trödelmarkt.«
»Hast du einen Ausdruck der Anruflisten von Shenjas Handy?«
»Selbstverständlich. Alles klar. Ich sehe zu, was ich tun kann.«
Nach einigen Löffeln Suppe klingelte Solowjows Telefon erneut.
»Dima, ich habe nur eine Frage.«
Das war Wjatscheslaw Lobow, Solowjows ehemaliger Dozent, ein erfahrener Kriminaltechniker. Er war schon lange in Rente, zog Enkel und Enkelin groß und schrieb seineMemoiren. Ihm hatte Solowjow das Parfüm aus Shenjas altem Ranzen geschickt.
»Der Junge, der mir den Flakon gebracht hat, war verschwiegen wie ein Partisan. Ich hab ihn gelöchert, mit ihm Tee getrunken, aber er hat mir nichts verraten. Also, Solowjow, sag du mir wenigstens: Was habt ihr da zu Moloch?«
»Zu Moloch? Nichts. Nach wie vor zappenduster.«
»Du schwindelst, Dima! Von wegen zappenduster – es gibt eine neue Leiche! Ich sehe mir jeden Kriminalreport an. Er hat ein Mädchen getötet. Hast du den Fall?«
»Ja. Aber die Chefs meinen, dieser Mord habe mit der Serie nichts zu tun.«
»Wie bitte? Ist doch sonnenklar, dass es derselbe Täter war! Ihr müsst das volle Programm auflegen, auf höchster Ebene, zumal das Opfer diesmal identifiziert wurde. Der Flakon hat nicht zufällig damit zu tun?«
»Doch. Ich habe ihn im Zimmer des toten Mädchens gefunden, zwischen ihren Sachen.«
Lobow schwieg eine Weile, dann sagte er: »Also, Dima, ich erwarte dich heute Abend bei mir, dann erzählst du mir alles in Ruhe. Und ich verrate dir was über deinen Flakon. Abgemacht?«
»Haben Sie etwas herausgefunden?«
»Komm her, dann erfährst du es.«
Der Verkäufer lächelte Sazepa an und erkundigte sich nach seiner reizenden Tochter. Sazepa tat, als habe er nicht gehört, nicht verstanden, blätterte weiter in der Zeitschrift und wäre am liebsten im Erdboden versunken. Aus der Anprobekabine drang Sojas laute, herrische Stimme.
»Ich zeige mich erst einmal meinem Mann, dann entscheiden wir zusammen.«
Endlich schaute Sazepa den Verkäufer an.
»Hören Sie, junger Mann, ich glaube, Sie verwechseln mich mit jemandem«, sagte er kalt.
»Ja?« Der Verkäufer sprach nun Russisch. »Merkwürdig, ich habe eigentlich ein sehr gutes Personengedächtnis.«
»Nikolai! Schau, wie gefällt sie dir?«
Soja kam langsam auf ihn zu geschwebt. Auf die rosa Lippen des Verkäufers trat ein unverschämtes spöttisches Lächeln und erlosch sofort wieder.
Ich habe nicht genug Bargeld bei mir, ich muss mit Kreditkarte zahlen, dann kennen sie hier meinen Namen. Wenn dieser Typ auch nur ein Wort sagt, bringe ich ihn um.
Sazepa war erst vor einigen Wochen mit Shenja hier gewesen, und sie hatten wie immer getan, als wären sie Ausländer, Vater und Tochter. Der großzügige Signor Castroni hatte der Signorina ein Kleid und ein paar T-Shirts aus der frisch eingetroffenen Frühjahrskollektion gekauft.
Er hatte damals für Shenja weit mehr Geld ausgegeben, als Sojas Leonardo-Jacke kostete. Der Verkäufer war um Shenja herumscharwenzelt und hatte ihr Kleiderstapel in die Kabine geschleppt. Sie hatte mit ihm geflüstert und gekichert. Kein Wunder, dass er sich an sie beide erinnerte.
»Warum sagst du nichts, Nikolai? Gefällt sie dir?«, fragte Soja. »Hier, fühl mal, ganz weiches Wildleder, feinste Qualität.«
Ich war ein Idiot, dachte Sazepa, während er brav die Kreditkarte zückte. An wie vielen Orten in Moskau war ich zusammen mit der Kleinen? Diese Boutique, noch ein paar andere, genauso teure, einige Restaurants und natürlich dieser scheußliche Nachtklub. Der Besuch im Klub war der Gipfel der Blödheit gewesen.
»Keine Sorge, da drin ist es dunkel und laut«, hatte Shenja gesagt, »wenn ich einen Bekannten treffe, sage ich, du bist der Vater meiner italienischen Freundin, mit der ich in England
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