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In ewiger Nacht

In ewiger Nacht

Titel: In ewiger Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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darf man?«
    »In der Raucherecke am Ende des Flurs.«
    »Na dann, gehen wir.«
    Wieso der Liebhaber, dachte Solowjow auf dem Weg zur Raucherecke. Oder gar ein Lehrer? Moloch – ein Pädophiler, der eine Zeitlang mit einem Kind zusammenlebt und es dann auf so raffinierte Weise tötet?
    »Darum keine Spuren einer Vergewaltigung«, sagte Guschtschenko nach einem leisen Räuspern. »Er muss nicht seine Lust befriedigen. Er ist satt. Er tötet aus Angst vor Entdeckung, aber das ist nur das äußere Motiv. Es gibt noch ein anderes, inneres. Er schämt sich für seine schmutzige Leidenschaft, er rächt sich an dem Kind; mit dem Opfer vernichtet er jedes Mal seine eigene schlimme Kindheit. Er hat als Kind selbst Gewalt und Erniedrigung erlebt, das hat ihn moralisch verkrüppelt.«
    Solowjow fühlte sich ein wenig unbehaglich. Der Professor lief hinter ihm und schien seine Gedanken zu lesen. Über Guschtschenko kursierten diverse Legenden. Er beherrschte die Kunst der Hypnose, es hieß, er sei eine Art Seher, er könne Gedanken lesen und an einem Foto erkennen, ob jemand tot sei oder noch lebe. Der Professor selbst bestritt das allerdings und sagte immer wieder, den Rang eines Hexers habe er sich bislang nicht verdient.
    »Tschikatilo hat übrigens eine Zeitlang als Lehrer gearbeitet«, sagte Guschtschenko, als sie die Raucherecke erreicht hatten.
    »Er hat nie seine Schüler getötet«, wandte Solowjow ein.
    »Stimmt.« Guschtschenko nickte. »Aber er hat sie belästigt, besonders Mädchen, das war bekannt. Mit einer Schülerin hat er sich nach dem Unterricht in einem Klassenraum eingeschlossen und hätte sie beinahe vergewaltigt. Sie hat geschrien und ist aus dem Fenster gesprungen. Als die Sache rauskam, musste er nicht mal ins Gefängnis, er wurde nur still und heimlich entlassen. Hätte jemand die Sache damals,Ende der Sechziger, gleich ernst genommen, Tschikatilo genau untersucht und isoliert, hätte das eine Menge Leben gerettet! Viele pädophile Mörder haben mit Kindern gearbeitet. Sudaruschkin war ein begabter Kinderarzt, er behandelte Zerebrallähmung bei Kindern und tötete seine kleinen Patienten. Sliwko, der zwanzig Jahre lang kleine Jungen quälte, grausam tötete und ihre Agonie mit einer Amateurkamera filmte, war sogar Verdienter Lehrer der russischen Sowjetrepublik.«
    »Die drei Jugendlichen damals gingen nicht zur Schule«, sagte Solowjow.
    »Sind Sie sicher?« Der Professor kniff die Augen zusammen. »Wir wissen noch immer nichts über sie.«
    »Eben deshalb bin ich mir sicher. Wenn sie irgendwo zur Schule gegangen wären, hätte sich jemand gemeldet und sie identifiziert, Klassenkameraden oder ein Lehrer.«
    »Meinen Sie?« Guschtschenko stieß einen perfekten Rauchkringel aus. »Vergessen Sie nicht, dass die Ermittlung kein einziges Lebendfoto zur Verfügung hatte, nur die Fotos der Leichen. Der Tod verändert ein Gesicht sehr, aber wem sage ich das? Presse und Fernsehen haben nur Totenmasken verbreitet.«
    Darauf konnte Solowjow nichts erwidern. Der Professor argumentierte wie immer absolut logisch.
    Plötzlich wechselte Guschtschenko das Thema.
    »Sagen Sie, Dima, Sie stehen Doktor Filippowa doch recht nahe, oder? Sie sind zusammen zur Schule gegangen und waren sogar ein bisschen verheiratet?«
    »Wir waren nicht verheiratet«, widersprach Solowjow und fühlte, dass er rot wurde.
    »Schade«, sagte Guschtschenko nachdenklich. »Sie passen gut zusammen. Aber der Mord an Shenja, das war nicht Moloch. Es könnte jemand gewesen sein, den Shenja kannte. Zum Beispiel der Vater ihres Kindes. Ziehen Sie diese Möglichkeit in Betracht. Wissen Sie übrigens schon, wer es ist?«
    »Nein.«
    »Versuchen Sie ihn zu finden, ich versichere Ihnen, das ist wichtig. Vielleicht ist er verheiratet, hatte Angst vor Entdeckung, vor der Rache von Shenjas Vater, und hat deshalb die Handschrift von Moloch nachgeahmt, um den Verdacht von sich abzulenken. Das wäre nicht das erste Mal in der Kriminalgeschichte. Meinen Sie nicht?«
    »Dass so etwas in der Kriminalgeschichte schon vorgekommen ist, da stimme ich Ihnen zu. Aber dass es eine Nachahmungstat war – nein, daran glaube ich nicht«, sagte Solowjow.
    Guschtschenko drückte seine Zigarette aus und sah auf die Uhr.
    »Oh, ich habe mich mit Ihnen verplaudert. Ich müsste längst weg sein. Viel Erfolg bei den Ermittlungen. War mir ein Vergnügen.«
     
    »Doktor, haben Sie früher wirklich mit Serienmördern gearbeitet?«, fragte ein Praktikant.
    »Ja.«
    »Und warum sind

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