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In ewiger Nacht

In ewiger Nacht

Titel: In ewiger Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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hysterisch. Sie war merkwürdig, irgendwie ungut erregt. Sazepa sah das junge Kokain-Pärchen auf der Klubtoilette vor sich.
    »Shenja, es ist nicht gut, dass du solche Orte besuchst.«
    »Warum?« Sie hörte auf zu lachen und starrte ihn an.
    Sie standen an einer Ampel. Shenjas Augen wirkten schwarz, so geweitet waren ihr Pupillen. Ihre Hände, die am Verschluss ihrer Tasche nestelten, zitterten merklich.
    »Da gibt es Drogen und wer weiß was noch für Schweinereien.«
    »Keine Sorge, ich schnupfe und fixe nicht. Ich trinke und rauche nicht mal.« Wieder lachte sie.
    Sie fuhren durch das leere, vormorgendliche Moskau. Sazepa hatte das Gefühl, ihr hysterisches Lachen könnte das Auto sprengen. Schon lange war der Punkt abzusehen, an dem alles zu Ende sein würde, an dem sie sich trennen müssten.
    Jetzt aber raste Castroni in Richtung Tscherjomuschki und dachte nur noch an ihr wundervolles Nest, in dem er sie, heiß und erregt wie sie war, gleich ausziehen würde. Alles andere war egal.
    Der vorsichtige Sazepa ahnte das Unheil.
    »Wo fährst du hin?«, rief Shenja plötzlich. »Ich hab dich doch gebeten, mich zu Papa zu fahren!«
    »Nein. Das hast du nicht.« Castroni war verwirrt. »Wir haben gar nicht darüber gesprochen. Ich dachte …«
    »Gar nichts hast du gedacht! Ich bin müde, kapiert? Ich will schlafen. Und das lässt du mich in Tscherjomuschki wieder nicht!«
    Das Rendezvous fiel ins Wasser. Der arme Castroni fühlte sich betrogen. Er bekam nicht einmal eine Belohnung für den schrecklichen Abend im Klub, für die nekrophilen Songs und dafür, dass er hatte zusehen müssen, wie seine Signorina den Sänger umarmte.
     
    »Nikolai, wollen wir nicht in Ruhe essen gehen?« Soja legte die Tüte mit der Jacke in den Kofferraum. »Hier in der Nähe ist ein nettes Lokal.«
    Das »nette Lokal« war just jenes, in das Shenja ihn am ersten Tag ihrer Bekanntschaft geführt hatte und in dem sie seither öfter gegessen hatten, das letzte Mal erst vor zehn Tagen.
     
    Solowjow schob den Teller mit der erkalteten Suppe von sich, stocherte in dem Kartoffelpüree herum und schnitt sich ein Stück Huhn ab. Das Fleisch war zäh und sehnig.
    »Sie hätten den Zander nehmen sollen. Der ist durchaus genießbar«, sagte eine bekannte tiefe Stimme hinter ihm. »Guten Appetit.«
    Professor Guschtschenko stellte eine Tasse Kaffee auf den Tisch und setzte sich Solowjow gegenüber.
    »Sie wirken so bedrückt, Dmitri. Ist es das Huhn oder die Sitzung?«
    »Alles zusammen, Kirill.«
    »Ja«, Guschtschenko nickte, »ich fühle mich auch mies. Es ist mir sehr unangenehm, dass meine Bemerkung über die Phantasie als Anspielung auf Doktor Filippowas angeblicheInkompetenz missverstanden wurde. Dabei habe ich nicht nur sie gemeint, sondern uns alle, die ganze Gruppe. Wir haben uns ja damals mit diesem Moloch ziemlich verrannt. Und dann hat man uns zum Teufel geschickt wie Versager. Vielleicht zu Recht. Aber wenn ich recht verstanden habe, glauben Sie, es sei wieder derselbe Täter?«
    Solowjow kaute mühsam das Stück Hühnerfleisch hinunter und trank einen Schluck Apfelsaft.
    »Ja, ich bin sicher, er ist es.«
    Guschtschenko lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schaute aus dem Fenster.
    »Scheußliches Wetter. Mal Frost, mal Regen. Es wird überhaupt nicht Frühling. Sagen Sie, Dima, erinnern Sie sich an das Täterprofil, das Doktor Filippowa erstellt hat?«
    »In groben Zügen, ja. Wieso?«
    »Sie sollten es noch einmal lesen. Ich glaube, da steht etwas Interessantes drin. Ich rede nicht von der Idee, der Täter sei ein Missionar, darin irrt sie. Aber mit einem hat sie recht, nämlich damit, dass der Täter beruflich mit Kindern zu tun hat, mit Jugendlichen. Kinderarzt, Trainer, Lehrer. Allerdings trifft das vor allem für den aktuellen Fall zu. Wissen Sie, in der Theorie, bei uns wie im Westen, wird davon ausgegangen, dass ein Serientäter niemals jemanden anrührt, den er gut und seit langem kennt. Ich glaube, das war unser Hauptfehler im Fall Moloch.«
    »Inwiefern?«
    »Er ist nicht typisch, verstehen Sie? Er ist anders. Olga hat eine Spur gefunden, aber keiner hat sie ernst genommen, weil es uns allen leichter fällt, in Klischees zu denken. Ja, ein Kinderarzt, ein Lehrer, der erwachsene Liebhaber des Mädchens – das geht mir nicht aus dem Sinn.« Er klackte mit dem Feuerzeug.
    »Hier ist Rauchen verboten«, sagte Solowjow.
    »Ja? Seit wann?«
    »Seit drei Monaten. Sehen Sie – nirgends Aschenbecher.«
    »Schweinerei! Und wo

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