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In ewiger Nacht

In ewiger Nacht

Titel: In ewiger Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Geschichte war zu scheußlich. Und ich selbst wollte auch nicht mehr daran denken. Aber du musst es wissen, Dima.«
    »Ich höre.«
    »Nein. Du machst ein viel zu skeptisches Gesicht.«
    »Tut mir leid.« Solowjow zuckte die Achseln. »Ein anderes hab ich nicht.«
    »Egal, dir wird das Lächeln gleich vergehen. Und du wirst begreifen, dass deine Olga damals mit Vielem richtiglag.« Lobow holte tief Luft, runzelte die Stirn und sprach leise weiter.
    »Nach dem Brand hat eine Kinderpflegerin auf dem Sterbebett gebeichtet und dem Popen erzählt, auf ihr laste eine furchtbare Sünde. Die reinen Lämmchen, die blinden Waisenkinder, seien nachts in die Wolfshöhle gebracht worden. Die Heimleiterin habe Geld dafür bekommen. Die Pflegerin wusste davon, wagte aber nicht, darüber zu sprechen. Der Pope erließ ihr ihre Sünden und sündigte dann seinerseits – er verletzte das Beichtgeheimnis und erzählte alles seiner Frau. Die flüsterte es dem Nächsten, und so weiter. Es waren alles nur Gerüchte, niemand machte eine richtige Aussage.«
    »Aber es gab doch Versuche, herauszufinden, wer die Kinder missbraucht hat und was das für eine Wolfshöhle war?«
    »Natürlich. Vor allem befragten wir die Heimleiterin. Sieerklärte, diese Kinder seien extrem aggressiv, verlogen und undankbar. Und schon früh sexuell hyperaktiv, wer weiß, was sie miteinander alles trieben. Du hättest sie sehen sollen. Eine hochmütige dicke Matrone, mit Brillanten behangen. Hart wie Fels.«
    »Und die Kinder, wurden die befragt?«
    »Selbstverständlich. Sie waren schrecklich eingeschüchtert, wir mussten ihnen jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen. Außerdem gefiel es manchen sogar. Sie bekamen dort gut zu essen.«
    »Wo – dort? Was gefiel ihnen?«
    Solowjow zündete sich noch eine Zigarette an. Lobow zählte Herztropfen in ein Glas, kippte sie hinunter und verzog das Gesicht.
    »In der Nähe des Heims, am anderen Seeufer, lag hinter einer hohen Mauer versteckt ein geheimes Objekt, ein sogenanntes Gästehaus des ZK der KPdSU. Ein Riesengrundstück mit einer luxuriösen zweistöckigen Villa, Schwimmbad, Sauna und Wintergarten. Ständig wohnten dort nur die Wachleute, das Personal und der Verwalter, ein gewisser Matwej Groschew. Ein imposanter Mann, attraktiv wie ein Hollywoodstar. Ab und zu kamen hohe Natschalniks aus Moskau, Wagen mit Blaulicht und abgedunkelten Fenstern, manchmal mit Personenschutz. Dorthin wurden die blinden Kinder nachts gebracht. Groschew war eine Art Funktionärskuppler auf allerhöchster Ebene. Ich nehme an, das ist noch immer sein Gewerbe, bloß unter einem anderen Dach. Die Heimleiterin verdiente mit. Sie wurde später befördert, auf einen Posten im Ministerium. Die Akten wurden aus dem Archiv entfernt, das Heim ist abgebrannt.«
    »Und die Villa?«, fragte Solowjow.
    »Die stand eine Weile leer. Anfang der Neunziger kaufte ein neuer Russe das Haus. Übrigens ist dein Moloch wirklich ein Missionar. Die Kinder, die er getötet hat, waren Pornodarsteller und Prostituierte. Es gibt nur eine Chance, ihn aufzustöbern– sich die Kinderhändler greifen und sie in die Zange nehmen, damit sie ihre Kunden preisgeben. Aber das wird man bei uns niemals zulassen. Ein zweiter Skandal wie der mit
Verbene
ließe sich vor der Presse nicht geheimhalten. Und wer weiß, wer alles zu den Kunden und Gönnern gehört? Nicht auszudenken.«
    »Danke, Wjatscheslaw.« Solowjow seufzte.«Sie haben mich wirklich aufgemuntert und mir Hoffnung gemacht.«
    »Keine Ursache. Nimm es einfach als Denkanstoß. Was, wenn nicht Pjanych die Morde begangen hat und der wahre Würger von Dawydowo noch lebt? Finde Groschew. Aber sei vorsichtig. Er hat Beziehungen nach ganz oben.«
    »Sie meinen, er könnte es sein? Der Würger? Moloch?«
    »Ich weiß es nicht. Ich bin alt. Denk nach, Dima. Na, lass den Kopf nicht hängen, ich hab wirklich was zum Aufmuntern für dich.« Wie ein Zauberkünstler zog Lobow den geschliffenen Flakon aus seiner Flanelljacke und stellte ihn auf den Tisch. »Dein Parfüm stammt aus der Parfümerie Materozoni in Rom. Die kreiert und verkauft seit zweihundertfünfzig Jahren individuelle Düfte. Dein Flakon ist vermutlich sauteuer. Auf dem Etikett stehen Adresse, Telefonnummer und Kundennummer. Ich habe ein bisschen Theater gespielt, habe dort angerufen und in meinem schlechten Englisch eine Lügengeschichte erzählt, von wegen, ich hätte auf dem Flughafen eine teure Damenhandtasche gefunden, da sei viel Geld drin gewesen, aber keine

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