In Ewigkeit, Amen
Unrat auf Möbelstücken.
Wenn das mal nicht ein richtig gutes Motiv für einen Mord war. Vielleicht etwas spät, aber manche Leute hatten eben kein so schnelles Reaktionsvermögen.
Ich drehte mich um und starrte auf die Tür. Ein selbst gemachter Türkranz. Ein selbst getöpfertes Türschild. Ein buntes Haus mit zwei Kindern und Mama und Papa. Darunter stand in geschwungener Schrift: Hier wohnt die Familie Meier.
Nicht, dass es mich etwas anging. Aber ich musste daran denken, dass bei dem letzten Todesfall, in den ich involviert war, Anneliese von Anfang an mehr gewusst hatte, als die Polizei je erfahren würde. Aber ich wollte ihr natürlich nichts unterstellen.
Der Wind pfiff über die Fischweiher. Ausnahmsweise trabte mein Hund brav vor mir her. Alles Berechnung. Dass er sich besser fühlte, war rein subjektiv. Allein die Erwartung, einen toten Fischkadaver zu finden, gab ihm mächtig Aufwind. Ich beobachtete ihn misstrauisch und versuchte, immer möglichst dicht an ihm dranzubleiben. Das war nämlich eines der großen Probleme, wenn man im Herbst diesen Spaziergang machte. Dann waren die Fischweiher abgelassen, und wenn man Pech hatte, lag irgendwo noch ein toter Fisch herum, den der Troidl hatte verrecken lassen. Und so kleine Krippln waren dem Troidl total wurscht, die lagen manchmal in rauen Massen auf dem Trockenen.
Wenn mein Hund so einen vor mir entdeckte, hatte ich ein echtes Problem. Denn im Falle eines wirklich widerwärtigen Geruchs setzte sein Gehör komplett aus. So ein schrilles Kreischen eines Frauchens, das Nein brüllte, ging komplett unter in dem Feuerwerk der Gefühle, das ihm zuschrie: Tu es!
Dann versagten ihm regelmäßig die Knie. Und nur, wenn ich direkt bei ihm war, konnte ich verhindern, dass er sich in epileptischen Zuckungen auf dem Kadaver wand. Jeder Dreck war nichts gegen toten Fisch, das bekam man aus einem Hundefell einfach nicht raus. Ich dachte etwas über die biologische Bedeutung dieses Phänomens nach – vielleicht war es ja Geruchstarnung oder so etwas? Man konnte sich als Hund dann ganz leicht an allen Gartenzäunen vorbeischleichen, ohne dass ein anderer Hund wüst bellend auftauchte. Denn jeder Hund dachte sich dann, ach, ist ja gar kein Hund. Da kommt ein toter Fisch gerannt. Oder so ähnlich.
Jedenfalls blieb ich aus gutem Grund direkt neben meinem Hund und suchte mit den Augen den Weg und das Ufer ab, um rechtzeitig eingreifen zu können. Und nur deswegen sah ich das Teil. Es war schlammverschmiert, aber trotzdem noch so weiß, dass es aus dem schwarzen Schlamm herausleuchtete.
Ich beobachtete die Fischreiher auf der anderen Seite, die edel und vornehm am Rande standen. Hin und wieder erhob sich einer elegant in die Lüfte und winkte mit seinen riesigen Schwingen. Die meiste Zeit standen sie jedoch bewegungslos und aristokratisch herum und ignorierten die Welt um sich. Ich versuchte eine Weile auch, die Welt um mich herum zu ignorieren. Aber mir fehlte eindeutig ein spezielles Fischreiher-Gen dazu. Denn es gelang mir nicht zu vergessen, was da vor mir lag, wie es hierhergekommen war und was es bedeuten könnte. Und was ich jetzt machen sollte.
Besonders über den letzten Punkt stritt der innere Schweinehund mit mir. Meine gute Seite dachte an göttliche Strafaktionen und schwarz gewordene Zungen und Ohrwascheln. Meine schlechte Seite dachte daran, dass ich nicht den gleichen Fehler machen sollte wie beim Orgelschlüssel. Manchmal war es einfach besser, die Dinge wie ein Fischreiher zu handhaben. Regungslos am Ufer stehen und in eine andere Richtung schauen. Ich probierte es eine Weile. Aber mit meinen Augen war etwas nicht in Ordnung, es war, als wären sie metallisch. Und das Teil im Schlick ein Magnet.
Natürlich hatte ich gleich gewusst, was es war. Und eigentlich auch, von wem es stammte.
Die g’schnapperte Bixn, hörte ich meine Großmutter.
Man muss wissen, dass der Kreiter nur einen Sohn hat, den Hans. Hans Kreiter. Seine Mutter hatte im Krankenhaus entbunden, was die Ursache allen Übels war, wie Großmutter immer behauptete. Jahrelang war er im Dorfgedächtnis nur der Dorfdepp gewesen. Bis eines Tages die Volkshochschule in der Stadt in ein anderes Gebäude umzog. Da durfte er mithelfen. Kisten schleppen, das konnte er. Zwar nicht besonders gut, weil er meistens vergaß, wohin mit dem Zeug, und es dann irgendwo stehen ließ.
Deswegen – das ist zwar nicht überliefert, aber so malte ich es mir aus – kam er auch dazu, einen Kurs zu belegen.
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