In Ewigkeit verflucht
Licht. Es macht mich so stark, und es ist die Triebfeder auf dem Weg in die Unsterblichkeit. Ich werde noch viele Menschen an und ins Licht führen. Die ersten sechs Personen noch in dieser Nacht. Ihre Seelen werden dafür sorgen, dass das Licht stark bleibt.«
Reto Kirchner hatte das alles nicht hören wollen. Sein Verstand arbeitete sowieso nicht mehr normal. Er hätte sich auch nicht mehr selbst beschreiben können, denn er wusste nicht, ob er noch ein Mensch war oder ein Skelett.
Um es herauszufinden, streckte er seinen rechten Arm vor und betrachtete die gestreckte Hand.
Seine Haut war da. Aber auch etwas anderes, dass sich darunter abzeichnete.
Knochen!
Hell, fast milchig und knorpelig. Als sähe er von seiner eigenen Hand ein Röntgenbild.
Reto Kirchner erlebte Momente in seinem Leben, in denen er einfach fassungslos war. Die Hand hielt er zwar gestreckt, aber er bewegte sie auch und schaute dabei dem Spiel der Knochen zu.
»Was bin ich?«, flüsterte er, »was hast du mit mir gemacht, Elisa? Bin ich so, wie die anderen erst noch werden sollen?«
»Ja, das stimmt. So bist du. Finde dich damit ab, dass du dich auf dem Weg zu Solares befindest, denn ich sorge dafür, dass du zu einem seiner Diener wirst. Dieses Licht kann Leben geben, aber es kann auch zerstören, nachdem der Götze bekommen hat, was er will. Und er ist wirklich bereit, es zu holen, mein Freund.«
»Was ist es denn?«
»Deine Seele.«
»Und deine?«
»Sie gehört ihm bereits.«
Nach dieser Antwort wurde ihm bewusst, was tatsächlich hier ablief. Dass er sein normales Menschsein endgültig verloren hatte und nie mehr so sein würde wie früher.
Er schaffte es, seine Panik zu unterdrücken. Er dachte wieder an die Gemeinsamkeiten zwischen ihnen und flüsterte mit krächzender Stimme: »Was soll denn jetzt aus uns werden?«
»Aus mir wird etwas. Ich werde in seinem Sinne herrschen, wenn ich ihm die Seelen zugeschickt habe. Ich werde an seine Stelle treten, und ich werde noch stärker werden. Es wird wieder eine Herrscherin in diesem Tal geben.«
»Dann lass mich dabei sein.«
»Gut, wie du willst.«
»Was soll ich tun?«
»Dann geh los. Tritt nach draußen und sag den anderen, dass sie endlich kommen sollen.«
»Ja, das werde ich!«
Reto Kirchner hätte alles getan, nur um seine Existenz zu retten. Sogar vor einem Mord wäre er nicht zurückgeschreckt. Er freute sich, weil ihn nichts mehr aufhielt und er sich drehen konnte, um die Tür der Hütte zu öffnen...
***
Beinahe hätte ich gelacht. Aber dieses Lachen wäre mir wohl im Hals stecken geblieben, denn irgendwie wiederholte sich die Szene. Schon einmal war uns jemand entgegengekommen, als wir ein Zimmer hatten betreten wollen, und hier erlebte ich es ebenfalls. Nur dass ich kein Hotelzimmer betreten wollte, sondern eine Hütte.
Ich schaffte es nicht mal.
Bevor ich die Tür öffnete, war die andere Seite schneller. Dort zog jemand die Tür nach innen. Nicht vorsichtig, sondern sehr heftig, sodass ich unwillkürlich zurückzuckte.
Und dann stand er vor mir!
Unwillkürlich hielt ich die Luft an. Ich kannte ihn. Auch wenn er nicht mehr so aussah wie eine lebende Person, aber er war es, daran gab es keinen Zweifel.
Nur – was war er?
Musste ich jetzt davon ausgehen, es mit einem Gespenst zu tun zu haben? So bleich zumindest kam er mir vor. Aber er war kein Gespenst im eigentlichen Sinn des Wortes, denn von ihm ging ein Leuchten aus, dass ich als unnatürlich ansah. Er war eingepackt in dieses Licht. Es umgab ihn von außen, aber es kam auch von innen. Dort breitete es sich aus, erleuchtete seinen gesamten Körper und machte ihn zugleich durchsichtig. Mir gelang es, seine Knochen zu sehen, die ebenfalls eine gewisse Helligkeit bekommen hatten. Sie wirkten auf mich milchig und strahlend zugleich. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Für mich stand fest, dass er mit einem Phänomen in Berührung gekommen war.
Ich bezeichnete es noch als Elisa, die ich leider nicht sah, weil er mir den Weg nach innen versperrte. Sein Beil hielt er nicht mehr fest. Es lag irgendwo, und ich sah die Waffe jetzt nicht mehr als wichtig an. Hier gab es eine andere Gefahr.
Licht kann erhellen. Licht kann Dunkelheit vertreiben. Licht kann ein Freund und Hoffnungsträger sein, aber das Licht kann auch, wenn es falsch geleitet wird, das Gegenteil bewirken. Damit musste ich rechnen.
Das Öffnen der Tür war nicht unbeobachtet geblieben. Ob Bill die Lage noch im Griff hatte, wusste ich nicht, denn
Weitere Kostenlose Bücher