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In feinen Kreisen

In feinen Kreisen

Titel: In feinen Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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angenehm. Sie hatte graues Haar, obwohl ich glaube, dass sie nicht älter war als fünfundvierzig oder so. Mir kam sie damals sehr alt vor, aber ich war ja auch erst fünfzehn und alles über dreißig war für mich alt.«
    »Wie groß war sie?«
    Sie dachte einen Moment nach. »Ungefähr so groß wie ich, durchschnittlich, vielleicht ein wenig kleiner.«
    »Danke, Miss Parkinson, vielen Dank.«
    »Dann ist alles in Ordnung mit ihr?«
    »Nein, ich befürchte, dass sie die Frau war, deren Leiche auf der Heide gefunden wurde.«
    »Ach Gott! Hm, das tut mir wirklich Leid.« Ihre Worte klangen ehrlich, und ihr Gesicht verriet ebenso wie ihre Stimme Bekümmerung. »Das arme Geschöpf.«
    Sie wollten bereits den Raum verlassen, als Monk sich noch einmal umdrehte. »Ihnen sind nicht zufällig die Stiefel der Frau aufgefallen, Miss Parkinson?«
    Sie war verblüfft. »Ihre Stiefel?«
    »Ja. Die Knöpfe.«
    Die Erinnerung ließ ihre Augen aufleuchten. »Ja! Sie hatte wirklich schöne Knöpfe an den Stiefeln! Solche hatte ich noch nie zuvor gesehen. Sie sind mir aufgefallen, wenn sie saß und ihre Röcke ein wenig zur Seite gezogen hatte. Nein, so etwas! Es tut mir wirklich Leid, das zu hören. Vielleicht erlaubt mir Mrs. Dewarall, zur Beerdigung zu gehen, da heute wohl nicht mehr viele da sind, die sich an sie erinnern werden.«
    »Wissen Sie vielleicht noch ihren Namen?«, fragte Monk und hielt den Atem an, während er auf ihre Antwort wartete.
    Sie verzog das Gesicht, während sie sich das Gehirn zermarterte. Er brauchte nicht weiter in sie zu dringen, um ihr klarzumachen, wie wichtig das war.
    »Der Name fing mit einem D an«, sagte sie nach einer Weile.
    »Ich muss darüber nachdenken.« Sie warteten schweigend.
    »Bailey!«, sagte sie triumphierend. »Mrs. Bailey. Tut mir Leid – ich dachte, es wäre ein D, aber es war Bailey, ich erinnere mich genau.«
    Sie dankten ihr noch einmal und brachen mit frischer Energie und neuer Hoffnung auf.
    »Ich werde es Rathbone mitteilen«, sagte Monk, sobald sie wieder draußen auf der Straße standen. »Sie versuchen, ihre Familie ausfindig zu machen. Es kann vor zweiundzwanzig Jahren nicht viele Hebammen mit Namen Bailey gegeben haben. Irgendjemand müsste sie kennen. Fangen Sie an mit den Ärzten und dem Krankenhaus. Schicken Sie in alle angrenzenden Bezirke entsprechende Anfragen. Er könnte sie von woanders hergeholt haben. Hat es wahrscheinlich auch getan, da niemand in Hampstead sie vermisst gemeldet hat.«
    Robb öffnete den Mund, um zu protestieren, änderte dann aber seine Meinung. Es war kein unbilliges Ansinnen, wenn es dazu führte, dass es Cleo Andersons Unschuld bewies.
    Am frühen Nachmittag des folgenden Tages trat das Gericht wieder zusammen. Rathbone rief den Polizeiarzt in den Zeugenstand, der als Sachverständiger Hesters Aussage bezüglich der Frauenleiche in der Heide bestätigte. Ein Schuhmacher schwor, die Stiefelknöpfe wiederzuerkennen, und förderte eine Quittung zu Tage, nach der sie vor etwa dreiundzwanzig Jahren von einer gewissen Flora Bailey gekauft worden waren. Miss Parkinson kam und beschrieb die Frau, die sie gesehen hatte, einschließlich der Stiefelknöpfe.
    Das Gericht akzeptierte die Tatsache, dass es sich bei der Leiche tatsächlich um Flora Bailey handle, dass sie durch einen gewaltsamen Schlag auf den Kopf gestorben war und dass es sich nur um Mord gehandelt haben könne.
    Rathbone rief erneut Aiden Campbell in den Zeugenstand. Er war bleich, und in seinem Gesicht hatten Trauer und Zorn tiefe Furchen hinterlassen. Er sah Rathbone trotzig in die Augen.
    »Ich hatte von Herzen gehofft, dies nicht sagen zu müssen«, erklärte er, und seine Stimme war hart. »Ich kannte Mrs. Bailey tatsächlich. Ich hatte keine Ahnung, dass sie tot war. Ich habe später ihrer Dienste nie wieder bedurft. Sie war nicht, wie meine unschuldige Spülmagd es vermutete, Hebamme, sondern eine Frau, die Abtreibungen vornahm.«
    Ein Aufschrei der Empörung ging durch den Saal. Die Zuschauer drehten sich tuschelnd einander zu.
    Rathbone blickte zu Miriam auf der Anklagebank und sah das Erstaunen in ihrem Gesicht, das sich dann in Ärger verwandelte. Er sah zu Harry Stourbridge hinüber, der steif dasaß, und zu Lucius, der wie betäubt wirkte.
    »Eine Frau, die Abtreibungen vornahm?«, wiederholte Rathbone langsam und sehr deutlich.
    »Ja«, bestätigte Campbell. »Ich bedaure, das sagen zu müssen.«
    Rathbone hob kaum merklich die Augenbrauen. »Sie finden eine Abtreibung

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