In feinen Kreisen
sprechen. Es war jetzt von größter Wichtigkeit, dass sie erfuhren, wer die Tote gewesen war. Der Ausgangspunkt für ihre Untersuchung war die Annahme, dass Miriam die Wahrheit gesagt hatte und sie deshalb eine Verbindung zu Aiden Campbell gehabt haben musste.
»Aber warum lügt er?«, fragte Robb zweifelnd, während sie im Sonnenlicht die Straße entlanggingen. »Warum? Selbst wenn er Miriam verführt hat, als sie seine Dienstmagd war, oder wenn er sie sogar vergewaltigt hat – was ja kein Einzelfall wäre –, und wenn die Frau in der Heide seine Köchin oder Haushälterin war, die davon wusste, wäre das kein Grund gewesen, sie zu töten!«
»Nun, irgendjemand hat sie getötet«, antwortete Monk entschieden und überquerte die stark befahrene Straße, ohne auf den Verkehr zu achten, sodass ein Lastkarren scharf bremsen musste. Er bemerkte es nicht und nickte dem Fahrer nicht einmal zum Dank zu, woraufhin dieser ihm seine Meinung über Trunkenbolde und Spinner im Allgemeinen und Monk im Besonderen nachbrüllte.
Robb rannte hinter ihm her und hob die Hand, um den Fahrer zu beschwichtigen.
»Wir haben sonst nichts, womit wir beginnen können«, fuhr Monk fort. »Was sagten Sie, wo Campbell damals lebte – genau, meine ich?«
Robb wiederholte die Adresse. »Aber er ist knapp ein Jahr danach nach Wiltshire gezogen. Es wäre durchaus möglich, dass niemand mehr dort wohnt, der ihn kennt oder von den Ereignissen damals etwas weiß.«
»Aber es könnte durchaus sein«, wandte Monk ein. »Einige der Dienstboten sind sicher weitergezogen, andere haben sich vielleicht in der Gegend neue Stellungen gesucht oder sind sogar im Haus des neuen Käufers geblieben. Die Leute sind dort, wo sie leben, oft tief verwurzelt.«
»Wir müssen auf die andere Seite der Heide.« Robb musste sich beeilen, um mit Monk Schritt zu halten. »Wollen Sie einen Hansom nehmen?«
»Wenn einer an uns vorbeikommt«, meinte Monk, ohne sein Tempo zu verlangsamen. »Wenn die Frau nicht zum Haushalt gehörte, wer könnte sie gewesen sein? Was hatte sie mit dem Ganzen zu tun? War sie eine Dienerin oder eine Bekannte aus derselben Gesellschaftsschicht?«
»Nun, es wurde damals niemand als vermisst gemeldet«, erwiderte Robb. »Sie kam nicht aus der Gegend hier, sonst hätte sich sicher jemand gemeldet.«
»Es hat sie also niemand vermisst?« Monk drehte sich zu Robb um und wäre beinahe mit einem Herrn zusammengestoßen, der ziemlich schnell in die andere Richtung ging. »Dann war sie also keine Nachbarin und auch keine Dienerin aus dem Ort. Das Ganze wird immer mysteriöser.«
Sie schwiegen, bis sie zu dem Haus kamen, in dem vor einundzwanzig Jahren Aiden Campbell gelebt hatte. Es hatte seither zweimal den Besitzer gewechselt, aber die damalige Spülmagd war inzwischen Haushälterin, und ihre Herrin hatte nichts dagegen, dass Monk und Robb mit ihr sprachen; tatsächlich schien sie förmlich darauf zu brennen, behilflich zu sein.
»Ja, ich war damals Spülmagd«, bekräftigte die Haushälterin.
»Miriam war die Hausmagd. Nur eine halbe Portion von einem Mädchen war sie, das arme kleine Ding.«
»Sie mochten sie?«, fragte Monk schnell.
»Ja, ja, ich mochte sie. Wir haben viel zusammen gelacht und uns Geschichten und Träume erzählt. Sie wurde dann schwanger, die arme Seele, und ich habe nie erfahren, was später aus ihr geworden ist. Vielleicht ist das Kind ja tot geboren worden, trotz all der guten Pflege, die sie hatte. War wohl nicht weiter überraschend. Sie war erst zwölf oder so, als sie in diesen Zustand kam.«
»Sie bekam eine gute Pflege?«, fragte Robb überrascht.
»O ja. Sie haben sogar die Hebamme ins Haus geholt«, antwortete sie.
»Woher wissen Sie, dass es eine Hebamme war?«, unterbrach Monk sie.
»Weil sie das gesagt hat! Sie lebte eine Weile hier, in der Zeit vor der Geburt. Ich weiß das, weil ich geholfen habe, ihre Mahlzeiten zuzubereiten, und ich hab sie auch auf einem Tablett nach oben gebracht.«
»Sie haben sie gesehen?«, fragte Monk aufgeregt.
»Ja. Warum? Später hab ich sie dann allerdings nicht mehr gesehen.«
Ein Gefühl des Triumphs, in das sich Entsetzen mischte, stieg in Monk auf. »Wie sah sie aus? Denken Sie genau nach, Miss Parkinson, und machen Sie bitte so konkrete Angaben wie möglich. Größe, Haarfarbe, Alter?«
Ihre Augen weiteten sich. »Warum? Hat sie etwas verbrochen?«
»Nein. Bitte – beschreiben Sie sie!«
»Sie war eine ganz gewöhnliche Frau, aber sie sah sehr nett aus,
Weitere Kostenlose Bücher