Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In feinen Kreisen

In feinen Kreisen

Titel: In feinen Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
Glücksgefühl, denn hinter alldem wurde die Liebe sichtbar, die sein Handeln bestimmte. Unwillkürlich musste er lächeln.
    Robb wischte dem alten Mann sanft das Gesicht ab. Dann wandte er sich wieder seiner eigenen Mahlzeit zu, die aus Brot und Suppe bestand, obwohl Letztere inzwischen schon ziemlich kalt geworden war. »Wissen Sie sonst noch etwas über diesen Treadwell?«, fragte er, während er rasch zu essen begann.
    »Der Mann war nicht gerade das, was man sich als Dienstboten wünschen würde«, erwiderte Monk bei der Erinnerung an die Dinge, die Harry Stourbridge ihm berichtet hatte. »Man hat ihn nur behalten, weil er der Neffe der Köchin war. Viele Familien nehmen beträchtliche Unannehmlichkeiten in Kauf, um eine gute Köchin zu halten, besonders wenn sie häufig Gäste empfangen.« Diesen letzten Worten ließ er ein schwaches Lächeln folgen.
    Robb warf ihm einen schnellen Blick zu. »Und ein Skandal käme ungelegen. Ich verstehe. Aber wenn das unser Mann ist, fürchte ich, wird sich das nicht vermeiden lassen.« Er runzelte die Stirn. »Aber das wirft immer noch kein Licht auf die Frage, wer ihn getötet haben könnte, oder? Was hatte er hier zu suchen? Warum hat sein Mörder nicht die Kutsche entwendet? Es ist eine gute Kutsche, und die Pferde sind prachtvoll.«
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen«, räumte Monk ein. »Jede neue Erkenntnis macht die ganze Geschichte nur umso unbegreiflicher.«
    Der Sergeant nickte, dann wandte er sich wieder seinem Großvater zu. Er sorgte dafür, dass der alte Mann es bequem hatte und alles erreichen konnte, was er vielleicht während seiner Abwesenheit brauchen würde. Dann berührte er ihn zärtlich, lächelte und verabschiedete sich.
    Der alte Mann schwieg, aber seine Miene verriet die Dankbarkeit, die er empfand. Es schien ihm jetzt besser zu gehen, nachdem er gegessen und seine Medizin bekommen hatte.
    Sie gingen etwa eine Dreiviertelmeile bis zu dem Stall, wo die Kutsche und die Pferde untergebracht waren. Robb erklärte den zuständigen Stallburschen, wer Monk war.
    Monk brauchte nur einen einzigen Blick auf das Gefährt zu werfen, um jeden Zweifel auszuräumen, dass es tatsächlich den Stourbridges gehörte. Er untersuchte es auf eventuelle Spuren oder etwas, das im Wagen zurückgeblieben war und vielleicht Aufschluss über die letzte Fahrt gegeben hätte. Aber er konnte nichts entdecken. Es handelte sich um eine sehr gut in Stand gehaltene Familienkutsche. Sie musste etwa zehn Jahre alt sein. Der Name des Herstellers war der, den Harry Stourbridge ihm genannt hatte. Die Beschreibung passte genau.
    Auch die Pferde waren unverkennbar die, die den Stourbridges fehlten.
    »Wo genau hat man sie gefunden?«, fragte Monk noch einmal.
    »In der Canon Hall Road«, antwortete Robb. »Es ist Ihre Kutsche, nicht wahr?« Er konnte die Antwort an Monks Gesichtsausdruck ablesen.
    »Und den Toten?«
    »Auf dem Weg vor dem Haus Nummer fünf auf dem Green Man Hill. Das ist eine Reihe kleiner Häuser ganz in der Nähe der Heide.«
    »Natürlich haben Sie die Bewohner deswegen befragt.« Auch das war eine Feststellung, keine Frage.
    Robb zuckte die Achseln. »Natürlich. Niemand hat etwas gesehen.«
    Monk war nicht überrascht. Nur die wenigsten Menschen gaben zu, etwas über einen Mordfall zu wissen, ob sie nun mit den Umständen vertraut waren oder nicht.
    »Ich werde eine offizielle Identifizierung des Leichnams brauchen«, sagte Robb. »Und ich muss natürlich auch mit Major Stourbridge sprechen, damit er mir alles sagen kann, was er über Treadwell weiß.« Er machte sich nicht einmal mehr die Mühe hinzuzufügen: »Falls er es ist.«
    »Ich fahre zum Cleveland Square und bringe ihn oder seinen Sohn hierher«, erbot sich Monk. Er wollte derjenige sein, der Harry und Lucius die Nachricht überbrachte, und zwar möglichst nicht in Gegenwart von Robb. Er konnte es nicht vermeiden, dass er dabei sein würde, wenn sie den Toten identifizierten.
    »Vielen Dank«, nahm Robb das Angebot an. »Ich werde um vier im Leichenschauhaus sein.«
    Monk nahm einen Hansom zurück nach Bayswater und als der Lakai ihn einließ, bat er um eine Unterredung mit Major Harry Stourbridge. Er wollte ihm, wenn möglich, vom Tod Treadwells erzählen, ohne dass Lucius früher als unbedingt notwendig davon erfuhr.
    Man führte ihn in den Salon, wo die Türen, die auf den sonnenbeschienenen Rasen hinausführten, weit offen standen. Harry Stourbridge war allein, aber Monk konnte hinter ihm im Garten seine

Weitere Kostenlose Bücher