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In feinen Kreisen

In feinen Kreisen

Titel: In feinen Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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hier. Ich werde alles Notwendige erledigen. Aber sei diskret. So lange wir unserer Sache nicht sicher sind, hat es keinen Sinn, die Köchin aufzuregen.«
    Lucius fiel plötzlich ein, dass er nicht der Einzige war, der möglicherweise einen Verlust erlitten hatte. Er starrte Monk an.
    »Ist Treadwell tot?«
    »Ich denke, es ist Treadwell«, antwortete Monk. »Aber er wurde allein gefunden und die Kutsche ist leer und unbeschädigt.«
    Bei dieser Mitteilung kehrte ein klein wenig Farbe in Lucius’ Wangen zurück. »Ich werde Sie begleiten.«
    »Es ist nicht notwendig…«, begann Stourbridge, aber dann sah er die Entschlossenheit seines Sohnes, und vielleicht begriff er in diesem Augenblick, dass es leichter war, etwas zu tun, als einfach nur zu warten. Sein Protest verstummte.
    Es war eine traurige Fahrt von Bayswater nach Hampstead. Die Stourbridges nahmen ihre eigene Kutsche, die jetzt der Stallbursche lenkte, und sie legten den größten Teil des Weges schweigend zurück. Lucius saß mit dem Rücken in Fahrtrichtung und seine Augen waren groß und dunkel und erfüllt von Angst. Stourbridge saß neben Monk und starrte geradeaus, ohne jedoch die Straßen und die Häuser wahrzunehmen, an denen sie vorüberkamen.
    Monk konzentrierte sich auf die Frage, was er Robb sagen würde, wenn es sich bei dem Toten tatsächlich um Treadwell handelte, was er kaum noch bezweifelte. Es war überdies keine Frage, dass der Mann ermordet worden war. Der Tote hatte sich eine solche Verletzung gewiss nicht durch einen Unfall zugezogen. Eine Information wie Treadwells Flucht mit Miriam Gardiner der Polizei vorzuenthalten, wäre bei diesem Stand der Dinge ein schwer wiegender Gesetzesverstoß gewesen. Ebenso wenig durften sie Robb die Tatsache vorenthalten, dass Miriam ohne eine Erklärung das Haus verlassen hatte und noch immer nicht wieder aufgetaucht war. Dies könnte nämlich den Verdacht nahe legen, dass sie befürchteten, Lucius Stourbridge könne mit dem Verbrechen zu tun haben. Anschließend würde man ihnen nicht mehr glauben, was sie sagten, es sei denn, sie hätten Beweise dafür.
    Nicht dass Harry oder Lucius Stourbridge zuzutrauen gewesen wäre, dass sie etwas vertuschen würden. Sie waren beide zu aufgewühlt, um die Wahrheit zu verbergen. Ihre erste Frage an Robb würde sich auf Miriam beziehen, darauf, ob er etwas über ihren Verbleib wusste. Außerdem waren sie so sehr davon überzeugt, dass Miriam höchstens gegen die gesellschaftliche Etikette verstoßen habe, dass sie sich erst viel später Gedanken darüber machen würden, inwiefern sie mit dem Mord zu tun haben konnte.
    Wie sollte Monk Robb erklären, dass er ihm die Anwesenheit eines Fahrgastes in der Kutsche verschwiegen hatte? Er hatte Miriam Gardiner bisher nicht einmal erwähnt.
    Als der Verkehr vor ihnen plötzlich dichter wurde und die Straßen unpassierbar machte, kamen sie ruckartig zum Stehen. Um sie herum wurden die ungeduldigen Rufe der anderen Kutscher laut. Pferde stampften mit den Hufen und wieherten, Geschirre klirrten.
    Lucius saß steif auf seinem Platz und sagte immer noch kein Wort.
    Stourbridge ballte die Fäuste und öffnete sie wieder, nur um sie von Neuem zu schließen.
    Endlich setzte die Kutsche sich wieder in Bewegung.
    Monk würde Robb so wenig mitteilen, wie nur möglich. Das Einzige, was sie mit Sicherheit wussten, war, dass Miriam im selben Augenblick das Haus verlassen hatte wie Treadwell. Wie weit sie zusammen gefahren waren, stand auf einem anderen Blatt. Sollte er Stourbridge und Lucius nahe legen, nur ja nicht mehr über Miriam zu sagen, als unbedingt nötig?
    Er betrachtete ihre angespannten Gesichter, die ins Leere blickten, und kam zu dem Schluss, dass es sinnlos war. Jeder Rat, den er ihnen gab, würde wohl mehr schaden als nutzen.
    Also schwieg er.
    Um zehn nach vier trafen sie beim Leichenschauhaus ein. Robb erwartete sie bereits, – er ging rastlos vor dem Gebäude auf und ab, sagte aber nichts, als sie ausstiegen. Sie wollten alle die Angelegenheit, derentwegen sie hier waren, so schnell wie möglich hinter sich bringen, dass sie kaum mehr als einen kurzen Gruß füreinander übrig hatten, bevor sie Robb in das Gebäude folgten.
    Der Diener des Leichenschauhauses schlug das Laken von dem Leichnam zurück, sodass nur der Kopf sichtbar wurde.
    Lucius sog hörbar die Luft ein und schien ein wenig zu schwanken.
    Stourbridge seufzte leise. Er war Soldat und musste in seinem Leben viele Tote gesehen haben, und es waren wohl

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