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In feinen Kreisen

In feinen Kreisen

Titel: In feinen Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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weiter.
    Thorpes Unbehagen nahm noch zu. »Der diensthabende Arzt.«
    »Keine Krankenschwester?« Robb schien überrascht zu sein.
    »Krankenschwestern sind dazu da, die Patienten sauber zu halten und es ihnen möglichst bequem zu machen«, antwortete Thorpe eine Spur schärfer. »Sie verfügen weder über eine medizinische Ausbildung noch über Erfahrung, und man überträgt ihnen keine derartigen Pflichten, – sie haben einfach genau das zu tun, was man ihnen sagt.« Er vermied es, Hester bei diesen Worten anzusehen.
    Robb nahm diese Information mit nachdenklicher Miene auf. Bevor er jedoch weitere Fragen stellen konnte, trat der Apotheker ein, dicht gefolgt von Callandra, die Hesters Blick auswich.
    »Ah!«, sagte Thorpe erleichtert. »Phillips. Dies ist Sergeant Robb. Er glaubt, dass eine beträchtliche Menge an Medikamenten aus unseren Vorräten verschwunden ist, gestohlen von einer unserer Krankenschwestern, und dass diese Tatsache jemandem die Möglichkeit geliefert hat, sie zu erpressen.« Er räusperte sich. »Wir müssen feststellen, ob dies der Wahrheit entspricht, und wenn dem so ist, muss herausgefunden werden, wie viel gestohlen wurde und wer der Täter ist. Und natürlich muss man klären, wie diese Diebstähle überhaupt möglich waren.« Er hatte höchst geschickt Phillips den schwarzen Peter zugeschoben, vielleicht sogar die Verantwortung für die Diebstähle.
    Phillips antwortete nicht sofort. Er war ein untersetzter Mann mit deutlich zu viel Gewicht, wirrem dunklem Haar und einem Bart, der dringend gestutzt werden musste. Hester hatte ihn stets als einen angenehmen Menschen empfunden, der einen Sinn für Humor hatte, wenn auch gelegentlich mit einer Prise Sarkasmus darin. Sie hoffte, dass man die Schuld nicht auf ihn abwälzen würde, und es wäre eine schmerzliche Enttäuschung für sie, wenn er diese Schuld allzu leicht Cleo zuschieben würde.
    »Haben Sie nichts zu sagen, Mann?«, fragte Thorpe ungeduldig.
    »Nicht, ohne genau darüber nachgedacht zu haben, Sir«, erwiderte Phillips. »Wenn wirklich Medikamente verschwunden sind und es sich nicht nur um Verschwendung oder einen Fehler bei der Auflistung der Vorräte handelt oder jemandem beim Vermerk in den Entnahmelisten ein Irrtum unterlaufen ist, dann haben wir es mit einer sehr ernsten Angelegenheit zu tun.«
    »Natürlich ist es eine ernste Angelegenheit!«, fuhr Thorpe den Mann an. »Es geht schließlich um Erpressung und Mord!«
    »Mord?«, fragte Phillips mit einer Spur Überraschung in der Stimme. »Wegen unserer Medikamente? Einen Diebstahl in einer solchen Größenordnung hat es nicht gegeben. Dessen bin ich mir sicher.«
    »Er muss sich über längere Zeit hingezogen haben«, setzte Thorpe den Apotheker ins Bild. »Zumindest denkt der Sergeant, dass es so war.«
    Phillips suchte nach seinen Schlüsseln und förderte einen großen Schlüsselring zu Tage. Als Erstes öffnete er eine der Schubladen und zog das Hauptbuch heraus. »Wie weit soll ich zurückgehen, Sir?«, fragte er Robb höflich.
    »Das weiß ich nicht«, antwortete Robb. »Versuchen wir’s mal mit einem Zeitraum von etwa einem Jahr. Das müsste genügen.«
    »Ich weiß nicht recht, wie man das jetzt noch feststellen kann«, erwiderte Phillips und schlug das Hauptbuch im gleichen Monat des vergangenen Jahres auf. Er überflog die Seite und nahm sich dann die nächste vor. »Hier stimmen alle Zahlen überein und es gibt keine Möglichkeit herauszufinden, ob sie genau den Mengen entsprechen, die zu der Zeit in den Schränken lagen. Es sieht nicht so aus, als hätte jemand die Zahlen manipuliert. Außerdem wäre mir das sofort aufgefallen, und ich hätte es Mr. Thorpe gemeldet.«
    Thorpe trat einen Schritt näher und blätterte selbst die Seiten des Hauptbuchs um, ohne sie bis zum gegenwärtigen Tag zu überprüfen. Die Einträge waren ganz offensichtlich nicht nachträglich geändert worden. Das Buch half ihnen nicht weiter. Die Lieferungen der Medikamente waren stets in derselben Handschrift verzeichnet worden, die Entnahmen in verschiedenen anderen. Es kamen gelegentlich Rechtschreibfehler vor.
    Robb sah sich die Einträge an. »Sind das alles Ärzte?«, fragte er.
    »Selbstverständlich«, erwiderte Thorpe scharf. »Sie glauben doch nicht, dass wir den Krankenschwestern die Schlüssel geben, oder? Wenn dieses elende Frauenzimmer wirklich Medikamente aus dem Krankenhaus gestohlen hat, dann muss sie es hinter dem Rücken eines der Ärzte getan haben, vielleicht als

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