In feinen Kreisen
leicht wieder herstellen.« Sie sah ihn herausfordernd an.
Thorpe war sich seiner Stellung als Leiter des Hospitals und seiner seinem Amt innewohnenden Autorität durchaus bewusst. Andererseits konnte er sich aber kaum über gesellschaftliche Zwänge hinwegsetzen, und Callandra besaß immerhin einen Titel, auch wenn es nur ein Ehrentitel war, den sie der Position ihres verstorbenen Vaters verdankte. Er entschied sich für umsichtiges Vorgehen, zumindest für den Augenblick.
»Selbstverständlich, Lady Callandra. Wir sind noch nicht über die ganze Situation im Bilde.« Er sah Robb von der Seite an.
»Ich versichere Ihnen, Sergeant, ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um Ihnen behilflich zu sein. Wir müssen zuerst alle Fakten zusammentragen und dann jedweder Unehrlichkeit einen Riegel vorschieben. Ich werde Sie persönlich in Ihren Ermittlungen unterstützen.«
Genau das hatte Hester befürchtet. Es wäre so viel einfacher gewesen, die Verluste zu verharmlosen, ja sogar Robb ein klein wenig an der Nase herumzuführen, wenn Thorpe nicht seine Hände im Spiel hatte. Sie wusste nicht, was der Apotheker tun würde, wem seine Loyalität galt oder wie sehr er um seine eigene Stellung bangen würde.
Thorpe zögerte, und Hester wurde mit einem Aufkeimen von Hoffnung klar, dass er nicht genug über die Medikamente wusste, um ohne Hilfe eine Bestandsaufnahme der Apotheke durchzuführen.
»Vielleicht könnte einer von uns Mr. Phillips holen?«, schlug sie vor. »Und Sie vielleicht auch begleiten, um Notizen zu machen… für unsere eigenen Zwecke. Schließlich werden wir uns um die Angelegenheit kümmern und dafür sorgen müssen, dass es nicht wieder vorkommt. Es ist für uns noch wichtiger, die Wahrheit ans Licht zu bringen als für Sergeant Robb.«
Thorpe ergriff den Strohhalm, der ihm angeboten wurde. »So ist es, Mrs. Monk.« Plötzlich besann er sich ihres Namens, ohne sich besonders anstrengen zu müssen.
Sie lächelte, sagte aber nichts. Bevor er seine Meinung ändern konnte, warf sie Callandra einen Blick zu und führte die anderen dann aus dem Büro und durch den breiten Korridor zur Apotheke. Sie wusste, dass Callandra Mr. Phillips holen würde, und vielleicht konnte sie sogar diskret ein Wort mit ihm wechseln, um ihm klarzumachen, was seine Aussage für sie alle bedeuten konnte. Wahrscheinlich war er bisher noch nicht über das, was Cleo Anderson vorgeworfen wurde, informiert.
Sie wagte es nicht, Sergeant Robb anzusehen. Zu leicht hätte er Callandras Absicht durchschauen können. Dazu bedurfte es keines großen Geschicks.
Sie gingen eilig nebeneinander her, bis Hester an der Tür zur Apotheke Halt machte. Natürlich besaß Thorpe einen Schlüssel, er hatte für sämtliche Türen einen Schlüssel. Er schloss auf und trat ein, und sie folgten ihm in den kleinen Raum, wo kaum Platz für alle war. An den Wänden standen Schränke, die bis zur Decke reichten. Jeder dieser Schränke hatte ein eigenes Messingschloss, selbst die Schubladen unter dem Regal.
»Ich fürchte, für die Schränke habe ich keine Schlüssel«, erklärte Thorpe widerstrebend. »Aber wie Sie sehen, wird hier auf größte Sorgfalt geachtet. Ich weiß nicht, was wir noch tun könnten, außer, wir stellen einen zweiten Apotheker ein, sodass jede Minute des Tages jemand hier ist. Es wird Ihnen aber einleuchten, dass wir nicht nur tagsüber, sondern auch nachts Medikamente benötigen, und niemand kann rund um die Uhr verfügbar sein, wie diensteifrig er auch ist.«
.»Wer bewahrt die Nachtschlüssel auf?«, fragte Robb.
»Wenn Mr. Phillips geht, bringt er sie mir«, erwiderte Thorpe mit einem gewissen Unbehagen, »und ich gebe sie dem diensthabenden Arzt der Nachtschicht.«
»Ihren Worten entnehme ich, dass es sich dabei nicht immer um dieselbe Person handelt«, bemerkte Robb.
»Nein. Wir operieren nachts nicht. Daher bleibt nur selten einer der Chirurgen hier. Doktor Beck bleibt gelegentlich im Krankenhaus, wenn er einen besonders schweren Fall hat. Häufiger ist es ein Praktikant.« Er schien noch etwas hinzufügen zu wollen, änderte dann aber seine Meinung. Vielleicht hatte er das Gefühl, das ganze Krankenhaus würde angeschuldigt, weil eine seiner Krankenschwestern die Möglichkeit gehabt hatte zu stehlen und weil aus diesem Diebstahl ein Mord erwachsen war. Er hätte sich gern von den Vorgängen distanziert, was deutlich an seiner Miene abzulesen war.
»Wer verabreicht in der Nacht die Medikamente?«, erkundigte Robb sich
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