In feinen Kreisen
Was sagt William dazu?«
Hester gab nur eine leicht abgeänderte Zusammenfassung des Gesprächs wieder. »Er meint, wir sollten äußerst vorsichtig sein, wenn wir Erkundigungen einziehen«, erwiderte sie.
»Mehr als vorsichtig«, pflichtete Kristian ihr bei. »Thorpe wäre begeistert, wenn er sämtliche Krankenschwestern als Diebinnen hinstellen könnte…«
»Aber genau das wird er tun!«, fiel Callandra ihm ins Wort, und ihr Gesicht wirkte kummervoll. »Er wird schneller davon erfahren als uns lieb ist. Die Polizei taucht hier sicher bald auf, um Fragen zu stellen.«
»Gibt es etwas, das wir verheimlichen könnten?« Hester blickte von einem zum anderen. Wenn Cleo für den Mord an Treadwell verurteilt würde, dürften ein oder zwei Flaschen Morphium kaum eine Rolle spielen. Aber noch bevor die Worte heraus waren, wusste sie, wie töricht diese Idee war.
»Welche Beweise hat die Polizei denn für ihre Schuld?«, fragte Kristian ein wenig ruhiger. Der erste Schreck ließ langsam nach. »Möglicherweise hat er sie erpresst, aber er könnte das auch mit anderen getan haben. Sie verfügte kaum über ein Einkommen, aus dem sich viel herausholen ließ.«
»Es sei denn, sie hätte ihm Morphium besorgt«, sagte Callandra mit Sorge, »und er hat es verkauft. Das würde erheblich mehr bringen.«
Auf diesen Gedanken war Hester überhaupt noch nicht gekommen. Sie glaubte nicht, dass Cleo selbst Morphium verkaufen würde, aber es wäre ihr vielleicht nichts anderes übrig geblieben, wenn Treadwell ihr Geld abgepresst hatte. Aber was war geschehen, das sie vielleicht gerade an diesem Abend zur Mörderin machte? War es Verzweiflung… oder nur die günstige Gelegenheit?
»Aber welche Beweise gibt es?«, wiederholte Kristian. »Hat jemand sie gesehen? Hat sie etwas am Tatort zurückgelassen? Gibt es Hinweise, die andere Personen als Täter ausschließen?«
»Nein… Fest steht nur, dass sein Leichnam auf dem Weg vor ihrem Haus gefunden wurde und dass er vom Ort des Geschehens dorthin gekrochen ist. Zuerst vermutete man, dass er sie um Hilfe bitten wollte. Jetzt werden die Leute glauben, dass es kein Zufall war, sondern dass er bewusst auf sie hinweisen wollte.«
Kristian runzelte die Stirn. »Sie meinen, die beiden haben sich irgendwo in der Nähe getroffen, sie hat ihn niedergeschlagen und ihn, weil sie ihn für tot hielt, liegen lassen. Aber er war noch bei Bewusstsein und kroch hinter ihr her?«
Callandras Gesicht war vor Kummer wie versteinert.
»Warum nicht?« Es widerstrebte Hester zutiefst, es auszusprechen, aber die Worte hingen zwischen ihnen. »Er traf sich mit ihr, um sie zu erpressen, und sie fühlte sich zum Äußersten getrieben – vielleicht hatte sie nichts mehr, um ihn zu bezahlen. Entweder war sie von Anfang an in der Absicht, ihn zu töten, zu dem Treffen gegangen, oder es ergab sich aus den Umständen.«
»Und wo war Miriam?«, fragte Callandra. Dann wurde ihre Miene plötzlich lebhafter. »Oder hat er Miriam vielleicht irgendwo abgesetzt und ist dann zu Cleo Anderson gefahren? Das würde erklären, warum Miriam nicht wusste, dass er tot war!«
Hester schüttelte den Kopf. »Was auch immer die Antwort auf diese Frage sein mag, Cleo hilft es jetzt nichts mehr.«
Sie sahen einander unglücklich an und keinem von ihnen fiel etwas Tröstliches ein.
Die Dinge schienen sich noch zu verschlimmern, als Hester und Callandra etwa eine Stunde später von einem äußerst wütenden Fermin Thorpe in dessen Büro bestellt wurden, wo er ihnen die Anweisung gab, Sergeant Robb bei seinen Ermittlungen zu unterstützen.
Robb fühlte sich sichtlich unbehaglich. Er stand neben Thorpes Schreibtisch und musterte zuerst Thorpe selbst, dann Callandra und zu guter Letzt Hester.
»Es tut mir Leid, Ma’am«, er schien sie beide gleichzeitig anzusprechen, »ich hätte Sie lieber nicht in diese Lage gebracht, aber ich muss mehr über die Medikamente wissen, von denen Mr. Thorpe mir sagt, sie seien aus Ihrer Apotheke verschwunden.«
»Ich wusste bis heute Morgen nichts davon«, sagte Thorpe, dessen Gesicht von Zornesröte überzogen war. »Man hätte mir schon den ersten Vorfall dieser Art melden müssen. Irgendjemand wird sich dafür verantworten!«
»Ich denke, wir sollten zunächst ganz präzise feststellen, was sich beweisen lässt, Mr. Thorpe«, entgegnete Callandra kalt. »Es geht nicht an, wild mit Anschuldigungen um sich zu werfen, bevor man Beweise hat. Ein Ruf ist schnell ruiniert und lässt sich nicht so
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