In feinen Kreisen
wie, und du weißt es auch nicht. Lass die Dinge auf sich beruhen, Hester. Misch dich nicht ein.«
Sie musterte ihn und versuchte herauszufinden, wie ernst es ihm mit diesen Worten war. War es ein Rat oder ein Befehl?
Sie konnte keinen Zorn in seinem Gesicht entdecken, aber auch keinen Hinweis darauf, dass er seine Meinung ändern würde. Sie konnte Cleo jedoch nicht im Stich lassen, nicht einmal, um Monk einen Gefallen zu tun, oder, wenn es zum Schlimmsten kam, einem ernsten Streit mit ihm aus dem Weg zu gehen. Sie würde nicht damit leben können, wenn sie das tat. Wie sollte sie ihm das erklären? Es war das erste Mal, dass sich eine Kluft zwischen ihnen auftat, die sich wohl nicht so leicht überbrücken ließ.
Sie sah den Schatten auf seinem Gesicht. Er verstand sie, wenn schon nicht in allen Einzelheiten, so doch zumindest, was das Wesentliche betraf.
»Vielleicht könntest du Erkundigungen einziehen«, schlug er vor. »Aber du wirst äußerst vorsichtig sein müssen, sonst machst du alles nur noch schlimmer. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Leiter des Hospitals Mrs. Anderson freundlich gesinnt ist.«
Er versuchte einzulenken, was sie mit großer Freude erfüllte. Am liebsten hätte sie jetzt die Arme um ihn geschlungen und ihn an sich gedrückt, aber sie widerstand der Versuchung. Stattdessen senkte sie den Blick.
»O ja«, sagte sie ernst. »Ich werde wirklich äußerst vorsichtig sein müssen – falls ich irgendwelche Nachforschungen anstelle. Im Augenblick weiß ich nicht, wie ich vorgehen soll. Ich werde einfach zuhören und beobachten… fürs Erste.«
Dann bereitete sie das Abendessen vor: kalten Schinken und Gemüse und anschließend warmen Apfelkuchen mit Sahne. Während sie am Tisch saßen und ihre Mahlzeit einnahmen, stellte sie ihm weitere Fragen nach Miriam und der Familie Stourbridge.
»Alles, was ich weiß, scheint irgendwie keinen Sinn zu ergeben«, sagte er, nachdem er eine Weile nachgedacht hatte.
»Die Stourbridges haben Miriam herzlicher willkommen geheißen, als man es hätte erwarten dürfen bei einer Frau, die kein Vermögen und keine Familie besitzt und ihren einzigen Sohn heiraten wollte. Meine Beobachtungen bestätigen ihre Aussage, dass sie Miriam gern haben und als die Frau akzeptierten, die ihren Sohn glücklich machen wird. Ob sie ihm einen Erben schenken kann oder nicht, wird sich erweisen, – jung genug ist sie ja.«
»Aber sie hat keine Kinder aus ihrer Ehe mit Mr. Gardiner«, bemerkte Hester. »Dadurch wird es weniger wahrscheinlich, dass sie in dieser neuen Ehe Kinder bekommt.«
»Das haben sie gewiss bedacht.« Er nahm noch etwas Sahne, verteilte sie großzügig über dem zweiten Stück Kuchen und verspeiste das Ganze mit unverhohlenem Genuss.
Sie beobachtete ihn erleichtert. Sie war, was die Zubereitung von Süßspeisen betraf, noch immer sehr unsicher, und sie hatte bisher noch nicht die Zeit gefunden, nach einer Frau zu suchen, die tagsüber die nötigsten Hausarbeiten erledigte. Sie würde das Problem möglichst bald in Angriff nehmen müssen. Ein wohl geordnetes häusliches Leben würde nicht nur einen Teil von Monks Glück ausmachen, sondern auch von ihrem eigenen. Sie hatte nicht den Wunsch, ihre Zeit oder Energie auf alltäglichen Kleinkram zu verwenden. Sie würde sich gleich morgen umhören, außer ihre Nachforschungen im Fall Cleo Anderson würden sie zu sehr beanspruchen. Diese Angelegenheit war natürlich wichtiger als die Suche nach einem Dienstmädchen.
»Cleo Anderson!«, rief Callandra. »Bist du dir sicher?« Es war mehr ein Protest als eine Frage. Hester war ein paar Minuten allein mit Beck und Callandra im Warteraum der Chirurgen.
»Ich hatte keine Ahnung«, sagte er leise. »Was für ein Risiko sie eingegangen ist… die ganze Zeit über. Wie lange wissen Sie es schon?« Er sah Hester an.
»Ich weiß es eigentlich nicht mit letzter Sicherheit.« Sie war immer noch übervorsichtig, als lausche Sergeant Robb hinter der Tür. »Zumindest… habe ich keine Beweise.«
»Natürlich nicht«, sagte Kristian und verzog kaum merklich die Lippen. »Niemand möchte Beweise finden. Sie hatten ganz Recht, dass Sie bisher nicht darüber gesprochen haben. Die arme Frau.« Er ballte die Fäuste. »Es ist ein schreckliches Unrecht, dass ein Mensch solche Risiken auf sich nehmen muss, um den Armen und Kranken zu helfen.«
»Es ist ungeheuerlich!«, stimmte Callandra ihm zu, ohne ihn anzusehen. »Aber wir müssen etwas tun! Es muss einen Weg geben.
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