In fremderen Gezeiten
wurde, um ihn zu verschlingen.
Ein Donnerschlag erschütterte die Luft und machte Shandy, der sich gerade wieder aufgerichtet hatte, nicht nur taub, sondern nahm ihm auch den Halt, sodass er sich an einem Tau festklammern musste, um nicht zu fallen. Als er sich umschaute und in dem nun doppelt starken metallischen Gestank würgte, sah er, dass das Schiff wieder die vertraute alte Carmichael war und die wiederauferstandenen Kämpfer erneut zu fahlen Schatten verblassten. Die Arme auf seiner Jacke waren verschwunden.
Er schaute auf. Beth Hurwood hing vier Faden über dem Poopdeck reglos in der Luft, aber Friend stieg rasch aufwärts in den blauen Himmel, und obwohl er jetzt heller leuchtete als je zuvor, beinahe zu hell, um ihn anzuschauen, ruderte er mit den Armen wie ein Mann, der von Wespen angegriffen wurde, und Shandy konnte ihn trotz des Klingelns in seinen Ohren schreien hören. Schließlich zuckte hoch oben ein Blitz auf, der einen roten Punkt vor Shandys Augen zurückließ, wo immer er hinblickte, und der Himmel war voller feiner, weißer Asche.
Ganz sanft wurde Beth Hurwood wieder in die Kajüte hinuntergelassen, und einige der Planken, die weggerissen worden waren, glitten wieder nach oben und breiteten sich über die scharfkantige Lücke. Die Geister der spanischen und englischen Soldaten waren kaum noch auszumachen; sie trieben in diese und jene Richtung über Deck, zu den blutigen Pfützen um die getöteten Männer der Jenny, und obwohl die Geister offenbar für den Moment Nahrung aus dem Blut bezogen, schien die Asche von Leo Friend, die jetzt stumm auf das Schiff herabschneite, sie zu vergiften.
Der Haufen zerbrochener Hölzer bewegte sich weiter, auch nachdem die belebten Planken davongekrochen waren, um als Stangen für Beth’ Käfig zu dienen, und schließlich krochen zwei blutige menschliche Gestalten darunter hervor. Shandy wollte sie schon erfreut wieder im Leben willkommen heißen – bemerkte dann aber den zerbrochenen und leeren Schädel des einen und die vollkommen eingesunkene Brust des anderen. Danach schaute er ihnen in die Augen und war nicht überrascht, Leere darin zu finden.
Näher bei Shandy richtete sich der Leichnam von Mr. Bird auf, erhob sich mühsam auf die Füße und schlurfte zu den Blöcken, über die das Großsegel eingestellt wurde: nach und nach gesellten sich die anderen Leichen dort zu ihm, und als sie alle versammelt waren und es irgendwie schafften, trotz ihrer toten Gesichter erwartungsvoll auszusehen, zählte Shandy vierzehn Tote.
» Nicht Davies«, sagte er mit belegter Stimme, als er diesen Leichnam unter ihnen sah und zum ersten Mal begriff, dass sein Freund getötet worden war. » Nicht Davies.«
Hurwood kam über die Reling herbeigesegelt, kreiste wie ein großer Vogel über den Köpfen Shandys und der übrigen erschöpften Überlebenden und landete auf dem Poopdeck an dem nun größtenteils wieder geschlossenen Loch. Sekundenlang starrte er mit ausdrucksloser Miene auf Shandy herab, dann schüttelte er den Kopf. » Tut mir leid«, sagte er zu ihm. » Meine Besatzung ist nicht groß genug, als dass ich ihn hätte verschonen können. Jetzt verlasst mein Schiff.«
Shandy schaute zur Jenny hinüber, deren Mast mit dem versengten Segel über die Steuerbordreling der Carmichael aufragte. Der Rauch, den er hatte aufsteigen sehen, nachdem die Feuerkugel in das Schiff gefahren war, bestand jetzt nur noch aus dünnen Schwaden – augenscheinlich hatten die Männer an Bord es geschafft, das Feuer zu löschen.
Die etwa zwanzig noch lebenden Piraten an Bord der Carmichael, viele von ihnen verwundet und blutend, sahen Shandy an.
Er nickte. » Zurück an Bord der Jenny«, sagte er und versuchte, aus seiner Stimme die erstickende Bitterkeit herauszuhalten, die er empfand. » Ich bin gleich bei euch.«
Während seine Männer dorthin an die Reling schlurften und humpelten, wo die Enterhaken der Jenny noch steckten, holte Shandy tief Luft, und obwohl er wusste, dass es nutzlos und möglicherweise durchaus fatal war, machte er sich entschlossen auf den Weg zu der beschädigten Kajüte, in der Beth eingesperrt war.
Hurwood beobachtete, wie er näher kam, ein schwaches Lächeln auf dem Gesicht. Shandy blieb vor der verriegelten Tür stehen, kam sich gleichzeitig lächerlich vor und war ebenso ängstlich wie entschlossen, und klopfte an die Tür. » Beth«, sagte er deutlich. » Hier ist Jack Shandy – ich meine, John Chandagnac.« Schon jetzt kam ihm der Name
Weitere Kostenlose Bücher