In fremderen Gezeiten
war. Hinter einem Hartriegelstamm auf dem Kamm der Düne, die sein Lagerfeuer vor dem kühlen Seewind schützte, grinste Stede Bonnett vor Erleichterung, als er ihren Anführer erkannte – es war William Rhett, derselbe Oberst der britischen Truppen, der Bonnett vor mehr als einem Monat gefangengenommen hatte und jetzt offensichtlich hier war, um ihn nach seiner jüngsten Flucht aus dem Wachhaus, das in Charles Town als Gefängnis diente, wieder einzufangen.
Gott sei Dank, dachte Bonnett, ich werde wieder eingesperrt – und wenn ich sehr großes Glück habe, werde ich vielleicht heute hier getötet.
Er drehte sich hastig um und trottete zurück, die andere Seite der Düne hinunter, bevor einer seiner Gefährten ihm folgen und selbst die Angreifer bemerken konnte. Und er versuchte, seine Aufregung zu bezähmen, denn der Schwarze konnte Stimmungen fast genauso gut spüren wie Schwarzbart.
Die drei saßen immer noch am Feuer, der Indianer und der Schwarze auf einer Seite, David Herriot auf der anderen.
» Nun, David«, er bemühte sich, begeistert zu klingen, » das Wetter wird definitiv besser. Ich denke, du freust dich schon darauf, von dieser verdammten Insel herunter und auf ein anderes Schiff zu kommen, hm?«
Herriot, der Bonnetts fügsamer Segelmeister gewesen war – vom Stapellauf der Revenge an bis zu dem Tag, an dem Colonel Rhett das Schiff am Cape Fear River gekapert hatte – zuckte nur die Achseln. Sein kindlicher Jubel über ihre Flucht aus Charles Town hatte sich in abergläubische Furcht verwandelt, seit unerklärlich schlechtes Wetter sie gezwungen hatte, hier auf Sullivan’s Island Zuflucht zu suchen, und sie hier festhielt. Und seit der Indianer und der Schwarze sich ihnen angeschlossen hatten, war er in eine düstere Lethargie versunken.
Eines Morgens vor einer Woche waren der Indianer und der Schwarze einfach vor Bonnetts Zelt erschienen, und obwohl sie sich nicht vorgestellt hatten, hatten sie Bonnett und Herriot mit ihren Namen begrüßt und erklärt, dass sie gekommen seien, um ihnen zu helfen, ein anderes Schiff zu finden. Bonnett glaubte, den Indianer im Mai an Bord der Queen Anne’s Revenge gesehen zu haben, als Schwarzbart Charles Town terrorisiert hatte, um das geisterabstoßende Medizinkraut zu bekommen. Das Zahnfleisch des Schwarzen war so weiß wie seine Zähne, das Zeichen eines Bocors. Es war dem einfältigen Herriot ebenso klar wie Bonnett, dass Schwarzbart sie gefunden hatte.
Fast anderthalb Monate lang nach der schrecklichen Reise zum Jungbrunnen hatte Bonnett keine Kontrolle über seine eigenen Taten gehabt. Sein Schiff, die Revenge, hatte Schwarzbarts Revenge nach Norden begleitet, nach Virginia, und obwohl es Bonnetts Mund gewesen war, der auf dem Schiff seinen Matrosen Befehle erteilt hatte, war es doch Schwarzbart gewesen, der durch ihn gesprochen hatte. Wie ein Schlafwandler hatte Bonnett von North Carolina’s Gouverneur Eden den Straferlass des Königs angenommen und Vorkehrungen getroffen, nach Süden zu segeln, zurück nach Hause nach Barbados, wo er, soweit das irgend möglich war, seine Rolle als Mitglied der feinen Gesellschaft von Plantagenbesitzern wieder annehmen sollte. Schwarzbart plante natürlich getötet zu werden, damit er in einem neuen Körper zurückkommen konnte, und er hatte offensichtlich das Gefühl, dass es nützlich wäre, auf Barbados eine wohlhabende Gentleman-Marionette zu haben.
Nachdem er die Begnadigung angenommen hatte, gewann Bonnett die Kontrolle über seine Taten langsam wieder zurück; anscheinend fand Schwarzbart, dass eine Rückkehr in sein früheres Leben das war, was Bonnett sich am meisten auf der Welt wünschte, und so kümmerte er sich nicht mehr besonders gründlich darum, die Kooperation des Mannes zu erzwingen.
Doch tatsächlich graute Bonnett vor einer Rückkehr nach Barbados mehr als vor dem Tod selbst. Er war während seiner Jahre dort ein angesehener Bürger gewesen – ein pensionierter Major der englischen Armee und ein reicher Pflanzer –, und er konnte es nicht ertragen, als ein ehemaliger Pirat zurückzukehren, einer, der nur deshalb noch in Freiheit war, weil er beschlossen hatte, sich unter den Röcken der königlichen Amnestie zu verstecken. Und jede Hoffnung, die er vielleicht gehegt hatte, dass die Bürger dieser entlegenen Insel nichts von seiner Karriere als Pirat erfahren würden, war bereits nach wenigen Tagen seines Piratenhandwerks zunichtegemacht worden, denn das zweite Schiff, das er enterte, war
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