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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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des Schwertes. Mach, dass die Teilchen des Blutes und des Eisens sich ausrichten, wie sich eine Kompassnadel nach Norden ausrichtet. Oder umgekehrt. Es ist alles relativ. Eine funktionierende magische Kraft wird Energie hinzufügen, zu ihrem eigenen Verderben. Oder aber sie wird zunichte, weil das ausgerichtete Eisensystem so wirksam ist, verstehst du? Wenn dir die Vorstellung nicht behagt, dass ein Penny auf den Boden fällt, musst du es so sehen, dass der Boden heraufkommt, um die bewegungslose Münze zu treffen, nicht wahr? Whump.«
    » Wunderbar, also, wie stelle ich es an?«
    » Whump. Whump.«
    » Gouverneur, wie bekomme ich die Teilchen des Eisens und meines Blutes dazu, sich auszurichten?«
    Sawney leerte die Flasche, dann stellte er sie beiseite und begann zu singen:
    Bendita sea el alma,
    Y el Señor que nos la manda,
    Bendito sea el día,
    Y el Señor que nos lo envìa.
    Wieder übersetzte Shandy im Geiste: Gesegnet sei die Seele, und der Herr, der sie uns sendet; gesegnet sei der Tag, und der Herr, der ihn uns gibt.
    Er versuchte mindestens eine weitere Minute, eine zusammenhängende Antwort auf seine Frage zu bekommen, aber der Rum hatte den kurzen wachen Funken in den Augen des alten Mannes ausgelöscht, und schließlich gab er es auf und erhob sich.
    » Bis ein andermal, Gouverneur.«
    » Pass auf dich auf, Junge. Keine Hühner.«
    » Soll mir recht sein.«
    Shandy wandte sich ab, dann hielt er inne und drehte sich noch einmal um. » Sagt … wie heißt Ihr, Gouverneur?«
    » Juan.«
    Shandy hatte mehrere Versionen des Namens gehört, auf den der Gouverneur Anspruch erhob, aber es war immer etwas gewesen wie Sawney oder » Pon-sea« oder Gawnsey – Juan hatte er bisher noch nicht gehört. » Wie lautet Euer voller Name, Gouverneur?«
    Der alte Mann kicherte und scharrte ein wenig im Sand, dann schaute er zu Shandy auf und sagte leise, aber deutlich: » Juan Ponce de Leon.«
    Shandy stand sekundenlang einfach nur da, und es fröstelte ihn trotz der Tropensonne, die alle Konturen über dem weißen Sand in flimmernde Hitzewellen auflöste. Zu guter Letzt nickte er, drehte sich um und trottete davon, und hinter sich hörte er, wie das Whump von Neuem begann.
    Erst nachdem er die Anhöhe überwunden hatte und sich den Weg durch das Gewirr von Zelten und Hütten bahnte, kam es ihm in den Sinn, dass der heruntergekommene Greis, den er mit der leeren Rumflasche zurückgelassen hatte, wirklich Gouverneur dieser Insel – ebenso wie aller anderen Inseln zwischen hier und Florida – war oder gewesen war.
    Er schritt zwischen den Zelten aus und berechnete im Geiste, wie viel von Davies’ Geld noch da war, und er fragte sich, wie lange die Reise dauern durfte, damit er sie sich leisten konnte – natürlich würde sie nicht sehr lang sein dürfen. Weihnachten war in weniger als zwei Wochen, und Hurwood hatte gesagt, dass er die Austreibung Beth’ aus ihrem Körper zum nächsten Julfest vollziehen werde. Da trat ihm jemand in den Weg. Er schaute auf und erkannte Ann Bonny. Sie hatte eine Affäre mit einem anderen begnadigten Piraten, Calico Jack Rackham, begonnen, kurz nachdem Shandy nach Haiti gesegelt war, und die beiden hatten erfolglos versucht, für Ann eine Scheidung durch Verkauf zu erreichen.
    » Hallo, Ann«, sagte er und hielt inne, denn er hatte das Gefühl, dass er ihr die Gelegenheit schuldete, ihn ein wenig zu schmähen.
    » Nun, nun«, erwiderte Ann, » wenn das nicht der Koch ist! Bist wohl ausnahmsweise mal aus dem Rumfass gekrochen, wie?«
    Sie wirkte schlanker und älter – wenig überraschend, denn Gouverneur Rogers hatte sich auf den Standpunkt gestellt, dass das altehrwürdige englische Volksrecht der Scheidung durch Verkauf der Gipfel der Liederlichkeit sei, und er hatte ihr versprochen, sie öffentlich entkleiden und auspeitschen zu lassen, sollte sie das Thema jemals wieder zur Sprache bringen, und seitdem waren ein paar grausam vulgäre Lieder über dieses Thema entstanden und sehr beliebt geworden – aber sie verströmte immer noch die heiße Aura von Sexualität, wie sie dastand und den Kopf neigte.
    Shandy lächelte vorsichtig. » Das ist richtig.«
    » Und, was meinst du, wie lange wird es dauern, bis du wieder hineinkriechst?«
    » Ich bin mir sicher, dass es mindestens zwei Wochen dauern wird.«
    » Ich nicht. Ich gebe dir … eine halbe Stunde. Du wirst hier sterben, Shandy, nach einigen Jahren als Lehrling von Gouverneur Sawney. Nun, ich werde das nicht tun, Jack und ich

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