In fremderen Gezeiten
werden bald von hier verschwinden, verdammt bald. Ich habe endlich einen Mann gefunden, der keine Angst vor Frauen hat.«
» Das freut mich. Ich muss zugeben, dass sie mir oft Angst machen. Ich hoffe, ihr seid glücklich miteinander, du und Rackham.«
Ann wirkte verunsichert und trat zurück. » Hu. Also, wo willst du hin?«
» Irgendwo an die Nordküste von Jamaika. Dort ist ein Schiff gesichtet worden, und ich denke, es ist die alte Carmichael.«
Sie grinste und schien sich zu entspannen, obwohl sie gleichzeitig bekümmert den Kopf schüttelte. » Mein Gott, es ist immer noch dieses Mädchen, nicht wahr? Hurley?«
» Hurwood.« Er zuckte die Achseln. » Ja, das stimmt.«
» Also wird diese Reise gegen deine Begnadigung verstoßen?«
» Ich weiß es nicht. Wird Rackham nicht gegen seine verstoßen?«
Sie feixte. » Nur unter uns, Shandy – natürlich wird er das. Aber mein Jack hat ein Mädchen, dem es nichts ausmacht, mit einem Gesetzlosen zu leben. Hast du auch so eins?«
» Das weiß ich ebenfalls nicht.«
Sie zögerte, dann beugte sie sich vor und küsste ihn – ganz sachte.
» Wofür war das?«, fragte er verblüfft.
Ihre Augen glänzten stark. » Wofür? Fürs Glück, Mann.«
Sie drehte sich um und ging davon, und er setzte seinen Weg zum Ufer fort. Einige Kinder spielten mit Marionetten, die er einmal gemacht hatte, und als sie aus dem Weg huschten, bemerkte er, dass sie jetzt Fäden benutzten, um die kleinen Gliederpuppen zu bewegen. Lernt ein Gewerbe, Kinder, dachte er. Ich glaube nicht, dass Mate Care-for sich um eure Generation noch kümmern wird.
Jemand ging schwerfällig hinter ihm her. Er blieb stehen und drehte sich um, dann zuckte er ein wenig zusammen, als er Trauerkloß sah, der ohne Neugier auf ihn herabschaute. Ausnahmsweise einmal erinnerte er sich daran, dass der Mann taub war. Shandy nickte nur.
» Sie werden ohne ihn zurechtkommen«, brummte der riesige Bocor. » Jedes Land durchläuft die Zeit, in der Magie wirkt. Wir hier nähern uns dem Ende dieser Zeit. Ich segle mit dir.«
» Oh!« Shandy war überrascht, denn er hatte – ohne Erfolg – versucht, Davies’ Bocor dazu zu bewegen, auf der Reise nach Haiti mitzukommen. » Nun, wunderbar, sicher, es scheint gewiss eine Reise zu sein, auf der wir einen guten Bocor gebrauchen könnten, und ich verschwende gerade nur meine Zeit, wenn ich davon rede, nicht wahr?« Er begnügte sich damit, nachdrücklich zu nicken.
» Du fährst nach Jamaika.«
» Nun, nein, eigentlich – ich meine, vielleicht, wir fahren in die Gegend …«
» Ich bin in Jamaika zur Welt gekommen, obwohl sie mich nach Virginia verfrachtet haben, als ich fünf war. Und nun will ich dorthin zurück – um zu sterben.«
» Mmmh.« Shandy versuchte immer noch, eine passende Antwort zu finden, und er dachte darüber nach, wie er sie mit Gesten ausdrücken konnte, als der Bocor an ihm vorbei zum Strand marschierte. Shandy musste laufen, um ihn einzuholen.
Um das Boot, das Shandy hatte ins Wasser ziehen wollen, scharte sich eine Gruppe streitender Männer, und als Shandy sich ihnen näherte, kamen zwei von ihnen auf ihn zu, wedelten mit den Armen und riefen etwas. Einer war Skank, und der andere war Venner, und sein Gesicht war im Moment so rot, dass man seine Sommersprossen nicht mehr sehen konnte.
» Immer einer nach dem anderen«, erklärte Shandy.
Mit einer wütenden Handbewegung brachte Venner Skank zum Schweigen. » Die Jenny wird nirgendwo hinfahren, bis Vane hier eintrifft«, stellte er fest.
» Sie segelt heute Nachmittag nach Jamaika«, widersprach Shandy. Obwohl er ein mildes Grinsen aufgesetzt hatte, maß er bereits die Entfernungen ab und fragte sich, wie schnell er an Skanks Entermesser kommen konnte.
» Du bist nicht länger ihr Kapitän«, fuhr Venner schnarrend fort, und sein Gesicht war noch dunkler als zuvor.
» Ich bin immer noch ihr Kapitän«, sagte Shandy.
Die Männer, die herumstanden, traten von einem Fuß auf den anderen, tuschelten, offensichtlich nicht sicher, auf welcher Seite sie stehen wollten. Shandy fing einen Teil eines Satzes auf: » … verdammt betrunken für einen Kapitän.«
Dann trat Trauerkloß vor. » Jenny geht nach Jamaika«, erklärte er im Tonfall eines alttestamentarischen Propheten. » Heute.«
Die Männer waren verblüfft, denn nicht einmal Skank hatte begriffen, dass Davies’ Bocor Shandys Verbündeter in dieser Angelegenheit war; und obwohl Shandy Venner keinen Moment aus den Augen ließ, konnte er
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