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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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Plantage auf Barbados aufgegeben hatte, um » auf eigene Rechnung zu fahren«. Aber er hatte nichts davon vernommen, dass es eine Verbindung zwischen diesem Mann und Schwarzbart gab; und der alte Sawney war sicherlich keine zuverlässige Quelle.
    » Nach Norden werdet ihr fahren, höre ich«, fuhr der Gouverneur fort. Er hielt inne, um etwas Wein zu trinken. » Nach Florida.« Er sprach den Namen mit einem starken spanischen Akzent aus. » Ein schöner Name, aber fieberverseuchtes Land. Ich kenne die Gegend. Ich habe dort nicht wenige Karibenindianer getötet und habe von einem eine böse Pfeilwunde behalten. Du musst dich vor ihnen in Acht nehmen – sie sind die Niederträchtigsten von allen. Sie halten die Frauen und Kinder von anderen Stämmen in Pferchen … so wie wir Vieh halten.«
    Shandy nahm ihm das nicht ab, aber aus Höflichkeit stieß er einen Pfiff aus und schüttelte den Kopf. » Hölle«, sagte er. » Ich werde einen großen Bogen um sie machen.«
    » Sieh zu, dass du das tust … zumindest bis du zu diesem verfluchten Geysir kommst. Wenn du weißt, wie du damit umgehen musst, hast du anschließend nichts mehr zu fürchten.«
    » Genau das will ich«, stimmte Shandy zu, » nichts mehr fürchten müssen.«
    Der Gouverneur kicherte und erwiderte etwas auf Spanisch, aber obwohl Shandy langsam das verstümmelte Spanisch der teilweise spanischstämmigen Piraten lernte, überstieg die Sprache des Gouverneurs seine Kenntnisse. Sie schien gleichzeitig zu archaisch und zu rein zu sein. Doch der alte Mann kam mit einem obszönen Vorschlag zum Ende; in einem nur allzu flüssigen Englisch beschrieb er die Fähigkeiten, von denen er hoffte, dass Schwarzbart sie auf dieser Reise erwerben würde.
    Shandy lachte schwach, sagte dem alten Mann Lebewohl und ging den Weg zurück, den er gekommen war. Nach einigen dutzend Schritten überwand er eine Sanddüne und blieb stehen, um zum Schiff zurückzuschauen. Es lag schon etwas zu ihm geneigt und er konnte den größten Teil des Mitteldecks und einen Teil des Poopdecks überblicken. Er versuchte, sich genau daran zu erinnern, wo Chaworth gestorben war, wo er Davies den Degenstich zugefügt hatte und wo er und Beth gestanden hatten, als sie der Möwe madenbefallenen Zwieback zugeworfen hatten. Er bemerkte, dass der Teil der Reling, auf den sie sich gestützt hatten, jetzt entfernt worden war, und es machte ihm ein wenig zu schaffen, dass er sich nicht daran erinnern konnte, ob das ein Teil war, den er selbst abgebrochen hatte oder nicht.
    Er versuchte, sich vorzustellen, welche anderen Ereignisse sich auf diesem Deck irgendwann abspielen würden, und nach einem Moment begriff er verblüfft, dass er sich instinktiv vorstellte, dabei anwesend zu sein. Aber das ist falsch, sagte er sich mit einem nervösen Lächeln. Beth und ich werden bei der ersten Gelegenheit von Bord gehen. Dieses Schiff wird ohne mich fahren, trotz all des Schweißes – und des Blutes manchmal, wenn ein Meißel ausgeglitten war –, die das Holz des Schiffes aufgesogen hatte. Ich habe einen Onkel, der an den Galgen gehört.
    Er drehte sich wieder zu den Feuern um und setzte sich erneut in Bewegung, und ihm kam der Gedanke, dass er nicht weit von der Stelle entfernt war, wo er den Mann mit den zerrissenen Taschen und dem verbundenen Kiefer gesehen hatte; und die Erinnerung daran trieb ihn ein wenig schneller voran, nicht weil der Mann bedrohlich gewirkt hatte, sondern wegen der Dinge, die Davies ihm dazu erklärt hatte.
    Davies hatte ausgespuckt und verärgert den Kopf geschüttelt, als er ihn danach gefragt hatte. » Das wird Duplessis sein, von Thatch’ letztem Aufenthalt hier. Thatch nimmt sich nicht mehr die Zeit, die kleinen Dinge richtig zu machen. Duplessis war ein Bocor, und er hatte sich eine Menge Loas verpflichtet, und das schafft eine Schuld, von der dich nicht einmal der Tod befreien kann. Ich schätze, Thatch hat ihn ohne die gebotenen Vorsichtsmaßnahmen beerdigt.«
    Shandy hatte ihn angestarrt. » Ihn beerdigt?«
    Davies grinste ihn an und zitierte in einem verächtlich nachgeahmten Oberklassenakzent die Pointe des alten Witzes: » Er musste es tun – er war tot, versteht Ihr?« Dann verfiel er wieder in seinen normalen Tonfall und fuhr fort: » Zumindest hat Thatch ihn nicht mit den Stiefeln an den Füßen begraben. Geister gehen gern auf die Boote, und wenn sie Schuhe tragen, kann man nicht schlafen, weil sie die ganze Nacht herumtrampeln.«
    Als Shandy zu den Feuern zurückkam, waren

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