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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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lassen.
    » Lapin – das bedeutet Kaninchen, sagt man, und es passt tatsächlich irgendwie zu dem Mann – und Shander-knack oder wie immer die Franzmänner den Namen wirklich aussprechen.« Skank runzelte trunken die Stirn. » Dein richtiger Name ist auch so etwas in der Art, nicht wahr?«
    » So ähnlich.« Shandy holte tief Luft und stieß den Atem wieder aus. » Hat dieser … dieser Typ, Shander-knack, viel mit euch … mit uns zu tun?«
    » Oh ja, er ist ein Spekulant. Thatch hat immer besonders gern mit Spekulanten zu tun gehabt. Dieser Typ steht immer kurz davor, reich zu werden, musst du wissen, aber irgendwie steht er übers Jahr, wenn man zurückkommt, immer noch kurz davor. Wenn er Geld hat, kann er es nicht erwarten, es uns zu geben, und wenn er keins hat, will er Kredit – und bei reichen Bürgern gewährt Thatch den nur allzu gern.«
    » Es muss aber schwierig sein, solche Schulden einzutreiben«, überlegte Shandy laut.
    Skank warf ihm ein mitleidiges Lächeln zu, stieß sich vom Pfosten der Drehbasse ab und schlenderte wieder nach achtern.
    Shandy blieb auf dem Vordeck und ein Lächeln vertiefte langsam die Linien in seinem dunklen Gesicht. Seine Augen wurden schmal in Erwartung des Tages, da er in der Lage sein würde, diese neue Information gegen seinen Onkel zu verwenden. Er war froh, dass die Piraten nur zu einem unbewohnten Abschnitt von Floridas Küste unterwegs waren und nicht zu irgendeinem Scharmützel, denn die Vorstellung, getötet zu werden, bevor er mit dem Bruder seines Vaters abgerechnet hatte, hätte er kaum aushalten können.
    Sobald sie nördlich der Bahamabank und auf den dunkelblauen Wassern des Providencekanals segelten, rief Hodge, der schlanke, stets grinsende Skipper der Jenny, Shandy nach achtern und erklärte ihm, dass er jetzt anfangen würde, sich seinen Unterhalt zu verdienen … Und während der nächsten fünf Stunden sorgte er dafür, dass Shandy alle Hände voll zu tun hatte. Er lernte, das Pik der Gaffel so zu hissen, dass im Hauptsegel nur noch ein paar kleine Falten zu sehen waren, die parallel zur Gaffel verliefen, und dass das Segel nicht etwa völlig glatt stand, wie es ihm korrekter erschienen wäre. Es war tatsächlich alles einfacher auf der Jenny; wo es auf der Carmichael Schoten, Halsen und Brassen gab, um die Segel einzustellen, hatte er hier nur noch mit Schoten zu tun, und nun lernte er einige der Tricks, wie man mittels der Schoten die Segel am günstigsten hart am Wind hielt, und da die Jenny so viel beweglicher war als die Carmichael, beschloss Hodge, dem Neuling Unterricht in der Kunst des Segelns zu geben. So lernte Shandy die Grundsätze des Kreuzens gegen den Wind und wie man bei einem Kurs am Wind, an einer Änderung der Windrichtung erkannte, dass es Zeit für eine Wende war. Er lernte, die hölzernen Ringe im Auge zu behalten, mit denen das Hauptsegel am Mast angeschlagen war, und an ihrem Zittern zu erkennen, wenn er das Boot zum Erreichen maximaler Geschwindigkeit etwas abfallen lassen musste.
    Als wolle sie bei Shandys Ausbildung helfen, erschien im Osten am Horizont das blumenkohlartige Gebilde einer sich auftürmenden Haufenwolke, und obwohl sie viele Meilen entfernt sein musste, ließ Hodge alle Vorbereitungen für einen Sturm treffen, » die Wäsche reinholen«, wie Hodge das Reffen der Segel nannte. Außerdem ließ er einen weißhaarigen alten Bocor auf Deck holen, damit dieser eine den Wind einschläfernde Melodie aus Dahomey pfiff, und einige Wanten nachspannen, damit ein losgerissenes Segel oder ein gebrochener Baum sie nicht in Verlegenheit brachten.
    Das Unwetter kam schwarz über das Kobaltblau des Himmels gekrochen und erreichte sie innerhalb einer Stunde nach der ersten Sichtung der Wolke – Shandy, der niemals Anlass gehabt hatte, dem Wetter besondere Beachtung zu schenken, war voller Ehrfurcht angesichts dieser Geschwindigkeit –, und selbst unter den kleinen Sturmsegeln legte sich die Schaluppe weit über, als die ersten Böen sie trafen.
    Eine Minute später folgte peitschender Regen, ließ die Wellen dampfen und ihnen vor Augen verschwimmen und reduzierte die Carmichael zu einer grauen Silhouette. Hodge befahl, allen Schoten wegen der unvermeidbaren Schrumpfung durch die Nässe etwas lose zu geben, und Shandy war überrascht, dass der Sturm den Skipper nicht im Mindesten zu beunruhigen schien.
    » Ist das etwas Ernstes?«, rief er Hodge nervös zu.
    » Das?«, erwiderte Hodge, der das Trommeln des Regens auf dem Deck

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